Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Steuerfreiheit der Umsätze aus dem Betrieb eines ambulanten Krankenpflegedienstes
Leitsatz (redaktionell)
Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, sind nicht als Leistungen anzusehen, die einen therapeutischen Zweck im Sinne einer „Heilbehandlung“ verfolgen.
Hat eine unternehmerische Tätigkeit erst im Laufe eines Jahres begonnen, dann kann nicht - wie in § 4 Nr. 16 E UStG vorgesehen - das vorangegangene Kalenderjahr für die Beurteilung der Umsätze herangezogen werden, sondern es ist auf die Umsätze das laufende Kalenderjahr abzustellen.
Normenkette
UStG § 4 Nrn. 14, 16 Buchst. c, d, e, Nr. 18; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c, g
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten - nach Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide für 1995 und 1996 - zuletzt noch um die Steuerfreiheit der in den Jahren 1993 und 1994 von der Klägerin erzielten Umsätze aus dem Betrieb eines ambulanten Krankenpflegedienstes.
Die Klägerin ist examinierte Krankenschwester. Sie arbeitete in 1992 als angestellte Pflegedienstleiterin in einer Sozialstation und betreute daneben ab Anfang 1993 einzelne Patienten. Zum 1. Juni 1993 erfolgte die steuerliche Anmeldung für den ambulanten Pflegedienst. Am 27. August 1993 beantragte sie die kassenärztliche Erlaubnis zur Häuslichen Krankenpflege (§ 37 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch -SGB V- in der damals geltenden Fassung), Häuslichen Pflegehilfe (§§ 53-56 SGB V) und Haushaltshilfe (§ 38 Abs. 1 SGB V), die ab 1. Oktober 1993 erteilt wurde.
Die Klägerin behandelte die Umsätze in den Umsatzsteuererklärungen 1993 und 1994 als gemäß § 4 Nr. 16 e Umsatzsteuergesetz -UStG- steuerfrei. Im Jahr 1999 führte das Finanzamt -FA- eine Sachverhaltsaufklärung im Wege der betriebsnahen Veranlagung -BNV- durch und stellte fest, dass 1993 insgesamt 76 Fälle behandelt worden seien, wovon 52 Fälle - das entspreche 68 % - Privatzahler beträfen. Unter Hinweis darauf, dass gemäß § 4 Nr. 16 e UStG 1993 mindestens 2/3 der Behandlungsfälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen werden müssten, wurde die Steuerfreiheit nach dieser Vorschrift vom FA verneint. Ebenso wurde die Steuerfreiheit für die Umsätze des Jahres 1994 versagt, da in § 4 Nr. 16 e UStG auf das vorangegangene Jahr abgestellt werde.
Die Klägerin beantragte daraufhin die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG. Die auf die Behandlungspflege entfallenden Umsätze wurden vom FA schließlich im Schätzungswege mit einem Drittel als steuerfrei berücksichtigt.
Mit dem gegen die Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1996 gerichteten Einspruch machte die Klägerin insbesondere geltend, dass die für die Berechnung der "Fallquote" zugrunde liegenden Rechnungen erneut zusammengestellt und als Berechnungszeitraum die Monate Oktober bis Dezember 1993 zugrunde gelegt worden seien. Dabei sei außerdem davon ausgegangen worden, dass der Pflegefall auch auf den Zeitbezug Kalenderjahr ermittelt werden könne, sodass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit ab Oktober 1993 gegeben seien. Für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1993 könne die Tätigkeit der Klägerin nicht als unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 16 e UStG angesehen werden, da der Be-griff der "Einrichtung" im § 4 Nr. 16 e UStG durch die Bündelung von Dienstleistungen gegenüber den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung und Sozialhilfe definiert werde.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2001, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 65-68 Umsatzsteuerakten -UStA-), als unbegründet zurück. Anhand der Auszählung der Fälle habe sich ergeben, dass die Klägerin zumindest in 1993 nicht gemäß § 4 Nr. 16 e UStG von der Steuer befreit sei. Da das Folgejahr nach dem Ergebnis des Vorjahres zu beurteilen sei, könne auch für 1994 eine Umsatzsteuerbefreiung nach dieser Vorschrift nicht erfolgen. Unterlagen, aus denen sich etwas andere ergebe, habe die Klägerin nicht eingereicht, sodass ihre Einwendungen nicht nachzuvollziehen seien.
Im Rahmen des Klageverfahrens macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die von ihr erzielten Umsätze steuerfrei zu belassen seien. Sie vertritt die Auffassung, dass sie sich für einen wesentlichen Teil der von ihr erzielten Umsätze auf § 4 Nr. 14 UStG stützen und sich im Übrigen unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Amtsblatt EG L 145, 1) -6. EG-Richtlinie- berufen könne. § 4 Nr. 16 ...