Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessenausübung bei der Versagung eines Vollstreckungsaufschubs
Leitsatz (redaktionell)
Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Finanzamt davon ausgeht, dass eine Frist von zwölf Monaten regelmäßig die äußerste Grenze für die Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs darstellt.
Normenkette
AO § 258; FGO §§ 101-102
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wurde am 9. Mai 1994 gegründet. Ihr Gegenstand ist die Organisation, Veranstaltung und Vermittlung von xxxxxxxxxxxxx. Zum Sitz wurde X bestimmt. Alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer ist seit Gründung Herr G. im Folgenden: G. Daneben war seit Gründung bis zum 23. Mai 2001 Herr B., im Folgenden: B, weiterer alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer.
Da sich die Geschäftsleitung zunächst in X befand, wurde die Klägerin zunächst vom Finanzamt X geführt. Seit 1996 firmierte sie unter der Anschrift xxxxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxx X.
Am 27. März 2002 erhielt das Finanzamt X einen Postrücklauf von einer Xer Postfachadresse mit der Mitteilung der Deutschen Post AG, dass die Klägerin nunmehr in der xxxxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxx Y ansässig sei.
Am 25. März 2003 und 14. Juli 2003 teilte die Bevollmächtigte der Klägerin dem Finanzamt X und dem Beklagten mit, dass die für das Unternehmen maßgebenden Entscheidungen nunmehr in Y in der xxxxxxxxxxxxxxxxxxx getroffen würden. Zwischenzeitlich hatte auch G seinen Wohnsitz nach Y verlegt, wo er ihn auch noch heute in der xxxxxxxxxxxxxxxxxxx innehat. Daher übernahm der Beklagte die Besteuerung der Klägerin.
Ein Schreiben vom 12. September 2003 (Bl. 6 Vollstreckungsakte) an die xxxxxxxxxxxxxxxx kam als unzustellbar zurück, ebenso ein Schreiben des Gerichts vom 6. September 2004 im Verfahren 7 K 7182/04.
Jedenfalls seit Ende 2003 gaben die Bevollmächtigten der Klägerin zu deren Bezeichnung nur noch die Yer Anschrift an.
Seit Mitte 2003 hatte die Klägerin Steuerschulden in fünfstelliger Eurohöhe. Diese betrafen insbesondere Umsatzsteuer, weshalb die Klägerin am 28.Juli 2003 deren Erlass beantragte, was der Beklagte jedoch ablehnte, zuletzt mit der bestandskräftig gewordenen Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2004. Das Gericht nimmt auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung (Bl. 32 bis 37 Körperschaftsteuerakte II) Bezug.
Einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub vom 29. Oktober 2003 lehnte der Beklagte am 17. Dezember 2003 ab.
Am 14. Januar 2004 versuchte er fruchtlos, in der xxxxxxxxxxxxxxxxxxx eine Sachpfändung durchzuführen. Der Vollziehungsbeamte traf dort G an und vermerkte, dass sich der Aktengewahrsam in den Räumlichkeiten der Firma xxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH befinde. Anhaltspunkte für ein vollstreckbares Vermögen fand er nicht.
Ferner erließ der Beklagte am 21. Januar 2004 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Bank betreffend Abgabenrückstände in Höhe von 64 746,54 €, die erfolglos blieb, weil die Bank kein Konto mehr für die Klägerin führte.
Am 28. Januar 2004 beantragte die Klägerin erneut Vollstreckungsaufschub und bot an, die Steuerschulden in Monatsraten von mindestens 1 000,00 € ab dem 15. April 2004 zu tilgen. Dies lehnte der Beklagte am 2. Februar 2004 ab. Das telefonische Angebot, die Rate auf 2 000,00 €/Monat zu erhöhen, wurde am 2. März 2004 ebenfalls abgelehnt.
Am 11. März 2004 beantragte die Klägerin ihr Vollstreckungsschutz in der Weise zu gewähren, dass sie vom 15. Mai bis 15. Oktober 2004 jeweils 2 000,00 Euro/Monat auf die Abgabenrückstände von seinerzeit 65 166,61 Euro zahle. Danach sollten entsprechende Zahlungen ab Mai 2005 wieder aufgenommen werden. Der Beklagte beantragte am 18. März 2004 beim Amtsgericht xxxxxxxxxxxxxx die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin. Dagegen erhob die Klägerin Leistungsklage, die der erkennende Senat mit Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04 abgewiesen hat. Den Antrag auf Vollstreckungsschutz lehnte der Beklagte am 6. April 2004 ab, worauf die Klägerin am 4. Mai 2004 Einspruch einlegte. Zur Begründung führte sie an, nach § 258 Abgabenordnung –AO- könne auch über einen Zeitraum von einem Jahr hinaus Vollstreckungsschutz gewährt werden. Dem Interesse des Beklagten sei eher gedient, innerhalb von fünf Jahren 60 000,00 Euro zu bekommen, als über die Stellung des Insolvenzantrages 0,00 Euro. Die Vollstreckung sei unbillig, da sie zur Existenzvernichtung führe und dieser Nachteil durch die Gewährung der Ratenzahlungen vermieden werden könne.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2004 zurück. Zur Begründung führte er an, § 258 AO räume keinen Anspruch ein, aus Billigkeitsgründen die Vollstreckung über die Dauer eines Jahres hinaus einzustellen. Dies ergebe sich daraus, dass nach dieser Vorschrift die Vollstreckung nur „einstweilen“ eingestellt werden könne. Die angebotenen Ratenzahlungen seien nicht geeignet, die Rückstände binnen Jahresfrist zu tilgen. Eine drohende Existenzbeeintr...