Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung des Wahlrechts zur getrennten Veranlagung
Leitsatz (redaktionell)
Das in § 26 Abs. 1 EStG Ehegatten eingeräumte Wahlrecht zur getrennten Veranlagung oder zur Zusammenveranlagung kann im finanzgerichtlichen Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ausgeübt oder widerrufen werden.
Normenkette
EStG §§ 26 a, 26 Abs. 1; AO §§ 42, 278 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger, die bis zum Jahr 1997 miteinander verheiratet waren, beantragten in den beim Beklagten für die Streitjahre eingereichten Einkommensteuererklärungen zunächst die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer. Der Beklagte veranlagte die Kläger antragsgemäß zusammen. Die gegen die Bescheide über Einkommensteuer für 1989 vom 27. August 1991, für 1990 vom 26. April 1993 sowie für 1991 vom 26. April 1993 eingelegten Einsprüche wies der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 1997 unter teilweiser Abhilfe im Übrigen als unbegründet zurück.
Während des Klageverfahrens haben die Kläger mit Schriftsatz vom 30. April 1998 die Durchführung der Einzelveranlagung zur Einkommensteuer 1989 bis 1991 mit der Begründung beantragt, der Kläger habe eine außereheliche Beziehung zu einer jüngeren Frau unterhalten, sei mehrfach aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und habe von der Klägerin von Tisch und Bett getrennt gelebt; sie haben hieran aber auf den Vorhalt des Beklagten, noch im August 1997 habe der Kläger erklärt, dass er erst seit 1994 von der Klägerin getrennt lebe und ausweislich zahlreicher Rechnungen habe eine Wirtschaftsgemeinschaft der Kläger bis mindestens Ende 1993 bestanden, nicht mehr festgehalten und die getrennte Veranlagung beantragt. Der Antrag auf getrennte Veranlagung sei nicht rechtsmissbräuchlich, weil das Aufteilungsverfahren hinsichtlich der unterschiedlich hohen Steuerfestsetzungen nicht ausreichenden Schutz biete, es wegen noch zu berücksichtigender Verluste im Ergebnis zu Steuererstattungen komme und die Sonderabschreibungen und Verluste des Klägers, z. B. aus der Grundstücksgemeinschaft P., der Klägerin nicht zugute kommen sollten. Außerdem beabsichtigten sie mit der Wahl der getrennten Veranlagung, Auseinandersetzungen zwischen ihnen über die Verteilung der zu erwartenden Erstattungsbeträge zu vermeiden (Bl. 115). Die Kläger machen zudem geltend, dass der Kläger seit mehr als zehn Jahren geschäftsunfähig sei. Hierzu haben sie dem Gericht verschiedene Atteste vorgelegt.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide über Einkommensteuer für 1989 vom 27. August 1991, 22. April 1996 und 30. März 2001, für 1990 vom 26. April 1993, 3. Juni 1993, 24. August 1993 und 22. April 1996 sowie für 1991 vom 26. April 1993, 24. August 1993, 22. April 1996 und 30. März 2001 und der zusammengefassten Einspruchsentscheidung für 1989 bis 1991 vom 30. Januar 1997 zu verpflichten, sie für die Jahre 1989 bis 1991 getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er nimmt Bezug auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass die Kläger bis 1994 in ihren Steuererklärungen die Zusammenveranlagung beantragt und dauerndes Getrenntleben verneint hätten und der Antrag auf getrennte Veranlagung willkürlich und rechtsmissbräuchlich sei.
Dem Gericht haben die vom Beklagten für die Kläger geführten Einkommensteuerakten für 1989 (Band XII), 1990 (Band XIV), 1991 (Band XV), die Leitakte I (Band XIII), ein Band „Aufteilungsbescheide“ sowie die Betriebsprüfungsakte (ein Band) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zunächst als Anfechtungsklage erhobene Klage ist auch zulässig, soweit die Kläger ihr ursprüngliches Klagebegehren während des Klageverfahrens dahingehend geändert haben, dass sie nunmehr - erstmalig - begehren, den Beklagten zu verpflichten, sie für die Streitjahre getrennt zu veranlagen. Das den Klägern in § 26 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz -EStG- eingeräumte Wahlrecht ist nicht befristet und kann bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides oder eines Änderungsbescheides, im finanzgerichtlichen Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ausgeübt oder widerrufen werden (ständige Rechtsprechung - vgl. z. B. Bundesfinanzhof -BFH- Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 31/96, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1999, 1333 mit weiteren Nachweisen).
Auch der Ablauf der Klagefrist hindert die Kläger nicht an der Ausübung des ihnen in § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG eingeräumten Wahlrechtes. Denn aus der Gegenüberstellung der Muss- und Sollanforderungen in § 65 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- ergibt sich, dass der Klageantrag - anders als die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens - nicht als zwingendes Erfordernis der Klage zu verstehen ist, sein Fehlen nicht zur Unzulässigkeit der Klage führt und er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch gestell...