Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei Zweifeln an der tatsächlichen Leistungserbringung durch den Rechnungsaussteller. kein Vorsteuerabzug bei Angabe einer nicht mehr bestehenden Anschrift des unbekannt verzogenen Rechnungsausstellers in der Rechnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bestehen Zweifel, ob der unbekannt verzogene Rechnungsaussteller die in Rechnungen abgerechneten Leistungen (hier: Pauschalpreise für Gerüstauf- und -abbau) tatsächlich erbracht hat, kann allein durch die Vorlage einer Rechnung die Person des Leistenden nicht nachgewiesen werden. Vielmehr kann dies durch den – den Vorsteuerabzug beantragenden – Leistungsempfänger durch die Vorlage ihm zugänglicher Unterlagen, z. B. Auftragsunterlagen, Abnahmeprotokolle oder den Nachweis sonstiger Umstände, geschehen; die Vorlage von Kopien der Gewerbeanmeldung, einer Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen gem. § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG sowie einer Passkopie des Rechnungsaustellers genügt insoweit nicht.
2. Die Angabe des Namens und der vollständigen Anschrift des Rechnungsausstellers muss es dem Rechnungsempfänger ermöglichen, den Leistenden zum Zeitpunkt der Rechnungserstellung unter dieser Anschrift zu erreichen. Ein Vorsteuerabzug ist für den Rechnungsempfänger nicht möglich, wenn der Rechnungsaussteller zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung bereits unbekannt verzogen war und die Finanzbehörde seine neue (zutreffende) Anschrift nicht ermitteln kann.
3. Bei Zweifeln an der Leistungserbringung durch den Rechnungsaussteller scheidet ein etwaiger Gutglaubensschutz des Rechnungsempfängers aus, wenn dieser sich darauf beschränkt, die Erbringung dieser Leistungen durch den Rechnungsaussteller pauschal zu behaupten, aber weder Unterlagen vorlegt noch Umstände vorträgt, die ein Vertrauen auf eine unternehmerische Leistungserbringung begründen könnten.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1, S. 2, § 14 Abs. 1, 4 Nr. 1; MwStSystRL Art. 226 Nr. 5; AO §§ 163, 227
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen.
Die Klägerin, eine GmbH, führt Gerüstbauarbeiten durch. Sie wurde am 15. Dezember 2014 gegründet. An ihr sind zu je 50% beteiligt die Herren A und B, die auch beide Geschäftsführer sind. Die Klägerin beschäftigt durchschnittlich sechs bis acht Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2015 einen Jahresumsatz von xx EUR. Zur Bewältigung von Auftragsspitzen setzt sie Subunternehmer ein. Die Klägerin war überwiegend als Subunternehmerin für die G tätig.
Am 23. Februar 2016 erfolgte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Nachschau.
Mit Prüfungsanordnung vom 8. April 2016 wurde für die Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung hinsichtlich des Vorsteuerabzugs für den Zeitraum März bis Dezember 2015 angeordnet.
Bei der Prüfung wurden folgende Rechnungen vorgelegt, die als Aussteller Herrn F und die Geschäftsbezeichnung H auswiesen:
Rechnungsdatum |
Leistungszeitraum |
Summe EUR |
Umsatzsteuer EUR |
Gesamt EUR |
07.12.2015 |
27.07.-26.08.2015 |
7.520 |
1.428,80 |
8.948,80 |
17.12.2015 |
25.07.-25.09.2015 |
5.550 |
1.054,50 |
6.604,50 |
21.12.2015 |
15.06.-12.08.2015 |
13.800 |
2.622,00 |
16.422,00 |
28.12.2015 |
22.10.-12.12.2015 |
4.000 |
760,00 |
4.760,00 |
Summe |
|
|
5.865,30 |
36.735,30 |
Auf den Rechnungen waren eine Steuernummer, eine Bankverbindung, eine Mobilfunk-Nummer und eine E-Mail-Adresse angegeben. Die Leistungen wurden durch die Angaben „Gerüst Aufbau” und/oder „Gerüst Abbau” und die Angabe der Anschrift des Objekts bezeichnet.
Weiterhin wurden zwei Barquittungen vorgelegt, nach denen von der Klägerin am 8. Februar 2016 20.313,30 EUR und am 19. Februar 2016 16.422,00 EUR an H ausgezahlt worden seien.
Herr F war nach seinem Zuzug aus Griechenland vom 27. Mai 2015 bis zum 1. November 2015 unter der Anschrift … gemeldet. Er ist nach den Meldedaten unbekannt verzogen. Er meldete am 18. Juni 2015 zum 1. Juni 2015 „Garten- und Landschaftsbau, Industrieverpackung” als Gewerbe an, das zum 1. November 2015 von Amts wegen abgemeldet wurde. Am 21. Juli 2015 wurde ihm eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen gemäß § 48 b Abs. 1 Satz 1 EStG erteilt. Umsatzsteuervoranmeldungen wurden nicht eingereicht.
Am 3. Februar 2016 suchte ein Mitarbeiter des Beklagten die Anschrift …, auf und fand keine Hinweise auf Herrn F.
In der Prüfungsmitteilung über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin wurde der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des F versagt, da das Unternehmen zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung nicht mehr existent gewesen sei.
Mit Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Dezember 2015 vom 4. Mai 2016 wurden die Prüfungsfeststellungen umgesetzt.
Gegen diesen Bescheid wurde am 17. Mai 2016 Einspruch eingelegt. Die Klägerin habe sich bei der Auftragsvergabe eine Gewerbeanmeldung und eine Freistellungsbescheinigung vorlegen lassen. Es sei nicht bekannt, dass die Bescheinigungen ungültig seien. Durch die Freistellungsbescheinigung ...