Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung im Gesamtvollstreckungsverfahren. Berechnung einer Haftungsschuld führt nicht zur Fälligkeit des Haftungsanspruchs. Erstattungsanspruch durch Berechnung eines Erstattungsbetrages. Abrechungsbescheid i. S. § 218 Abs. 2 AO zur Umsatzsteuer 1994 bis 1997
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine dem Haftungsschuldner nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über sein Vermögen zugestellte Berechnung einer Haftungsschuld vermag keine Fälligkeit des Haftungsanspruchs des Finanzamts zu begründen.
2. Die Berechnung eines Erstattungsbetrages kann im Konkursverfahren Grundlage für einen Abrechnungsbescheid sein und mithin zur bestandskräftigen Feststellung eines Erstattungsanspruchs führen.
Normenkette
BGB § 387; GesO § 7 Abs. 5; AO 1977 § 226 Abs. 1, 4, § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2, § 251 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Der Abrechnungsbescheid vom 23. Februar 2004 wird dahingehend geändert, dass zugunsten der Klägerin ein Erstattungsanspruch aus Umsatzsteuern für die Jahre 1994 bis 1997 in Höhe von 96.052,32 EUR festgestellt wird.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Über das Vermögen der X. Glas- und Fensterbau GmbH (Gemeinschuldnerin). wurde mit Beschluss des Amtsgerichts L… vom 30. September 1997 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Das Finanzamt M… stellte im Jahr 1998 im Ergebnis einer Umsatzsteuersonderprüfung das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft fest, bei der die Gemeinschuldnerin Organgesellschaft war (Bericht vom 2. März 1998). Durch „Berechnung” vom 10. Februar 2000 nahm das Finanzamt M… die Gemeinschuldnerin für rückständige Umsatzsteuern der Organträgerin für die Jahre 1995 bis 1997 nach § 73 Abgabenordnung – AO – in Haftung.
Der Beklagte hob die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1994 und 1995 sowie die Berechnung der Umsatzsteuer 1996 auf und folgte für 1997 letztlich den Berechnungen der Verwalterin für die Voranmeldungszeiträume. Das Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 355.277,10 DM überwies der Beklagte an das Finanzamt M…, erteilte am 22. November 2001 einen Abrechnungsbescheid und stellte das Erlöschen der Erstattungsansprüche aus den Zahlungen auf die Umsatzsteuer für die Jahre 1994 bis 1997 fest. Wegen fehlender Bekanntgabe an die Verwalterin hob der Beklagte den mit Rechtsbehelf angefochtenen Abrechnungsbescheid auf.
Unter Verweis auf das Urteil des BFH vom 23. August 2001 (VII R 94/99, BStBl. II 2002, 330) forderte der Beklagte das Finanzamt M… auf, die überwiesenen Beträge zurück zu zahlen. Nachdem das Finanzamt M… dies mit Schreiben vom 14. Juni 2002 zugesichert hatte, erteilte der Beklagte am 11. Juli 2002 einen Abrechnungsbescheid und stellte hierin ein Guthaben aus Zahlungen auf die Umsatzsteuern für die Jahre 1994 bis 1997 in Höhe von 355.277,10 DM unter detaillierter Darstellung der erfolgten Zahlungen und Festsetzungen für die einzelnen Jahre fest. Mit Schreiben vom 24. Juli 2002 verwies das Finanzamt M… auf seiner Auffassung nach bestehende Aufrechnungsmöglichkeiten des Haftungsanspruchs mit dem Bundesanteil des Erstattungsanspruchs. Den verbleibenden Teil des Erstattungsbetrages überwies das Finanzamt M… an den Beklagten, welcher nachfolgend die Erstattung an die Klägerin vornahm. Der Beklagte erklärte am 15. November 2002 die Aufrechnung der noch verbliebenen Umsatzsteuererstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 96.052,32 EUR der Gemeinschuldnerin für die Jahre 1994 bis 1997 mit der Forderung des Finanzamtes M… aus der Haftung nach § 73 AO und stellte mit Abrechnungsbescheid vom 23. Februar 2004 das Erlöschen der Erstattungsansprüche aus Umsatzsteuerzahlungen der Gemeinschuldnerin für die Jahre 1994 bis 1997 fest.
Der Beklagte hat der am 8. März 2004 eingegangenen Sprungklage mit dem bei Gericht am 2. April 2004 zugegangenen Schreiben zugestimmt.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die vom Beklagten erklärte Aufrechnung sei unwirksam. Zum einen fehle es bereits an der Gleichartigkeit der Forderungen. Bei dem Erstattungsanspruch handele es sich nicht um Umsatzsteuern, da sie nur vermeintlich auf Umsatzsteuern gezahlt habe, jedoch nicht Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gewesen sei. Weiter stünde der Aufrechnung § 7 Abs.5 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. § 54 Konkursordnung (KO) könne nach der Rechtsprechung des BGH nicht zur Auslegung herangezogen werden. Eine Aufrechnungslage habe zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens im Jahr 1997 jedenfalls nicht bestanden. Weiter sei der Haftungsanspruch nicht fällig gewesen. Im übrigen hätten sowohl der Beklagte als auch das Finanzamt M… die Voraussetzungen für eine Verpflichtung zum Abs...