Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Fahrzeugnutzung durch beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer trotz Verbots im Anstellungsvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung nutzt ein Steuerpflichtiger selbst bei nur knapp bemessener Freizeit ein ihm zur Verfügung stehendes Betriebs-Fahrzeug auch für private Fahrten. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um ein repräsentatives Fahrzeug handelt und der Steuerpflichtige über keinen weiteren privaten Pkw verfügt.
2. Dieser Anscheinsbeweis wird durch ein anstellungsvertragliches Verbot der Privatnutzung nur dann entkräftet, wenn der Arbeitgeber geeignete organisatorische Maßnahmen getroffen hat, um die Einhaltung des Verbots zu überwachen, insbesondere dem Arbeitnehmer die Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs auferlegt hat.
3. Wird eine Privatnutzung durch den Anstellungsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen, liegt es zumindest bei einem beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführer nahe, die Privatnutzung nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen, sondern den Nutzungsvorteil als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen.
4. Auch wenn auf der Ebene der Gesellschaft die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für die Bewertung des Nutzungsvorteils gerade nicht einschlägig ist, erscheint es sachgerecht, die dem Gesellschafter durch die private Fahrzeugnutzung zufließenden Einnahmen nach der 1-%-Regelung zu ermitteln.
Normenkette
EStG 1997 § 8 Abs. 2 S. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1, §§ 19, 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2; KStG 1996 § 8 Abs. 3 S. 2; KStG 1999 § 8 Abs. 3 S. 2
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2002 werden die Einkommensteuerbescheide für 1997 vom 14.12.2000, für 1998 vom 20.12.2001 sowie für 1999 vom 26.06.2001 abgeändert.
Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderten Steuerfestsetzungen nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnungen unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils bekannt zu geben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 90 vom Hundert, der Beklagte 10 vom Hundert der Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
2. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Der Kläger hielt in den Streitjahren Geschäftsanteile in Höhe von DM 35.500,00 der X… GmbH (im Folgenden GmbH), deren Stammkapital sich auf DM 50.000,00 belief. Weiterhin hatte der zum Geschäftsführer bestellte Kläger – ebenso wie der nicht an der GmbH beteiligte Mitgeschäftsführer Herr A… – mit der GmbH einen Dienstvertrag geschlossen, auf dessen Einzelheiten der Senat verweist. Gemäß § 10 des Vertrages war dem Kläger eine private Kfz-Nutzung des ihm überlassenen Dienstwagens untersagt.
Im Jahre 2000 führte der Beklagte bei der GmbH eine Lohnsteueraußenprüfung durch. Der Prüfer stellte fest, dass die Gesellschaft beiden Geschäftsführern jeweils einen Dienstwagen überlassen hatte. Von Januar 1997 bis März 1999 standen dem Kläger ein Audi A 8 (Bruttolistenpreis: 117.500,00 DM) zur Verfügung, desgleichen in der Zeit von April bis November 1999 ebenfalls ein Audi A 8 (Bruttolistenpreis: 130.000,00 DM). Für diese Fahrzeuge führte der Kläger sog. Bordbücher, die allerdings nicht den Anforderungen gemäß R 31 Abs. 7 Nr. 2 Lohnsteuerrichtlinien 1996 entsprachen. Da die GmbH keine ordnungsgemäßen Fahrtenbücher vorlegte, ging der Prüfer davon aus, dass der Kläger die Fahrzeuge auch privat genutzt hatte.
Nach Auffassung des Beklagten war die Privatnutzung gemäß § 8 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern. Im Hinblick auf die Prüfungsmitteilung der Lohnsteueraußenprüfung vom 16.03.2000 erhöhte der Beklagte wegen der Pkw-Nutzung den Bruttoarbeitslohn des Klägers um jeweils DM 15.369,00 (1997 und 1998) sowie DM 15.178,25 (1999) und erließ dementsprechend geänderte Bescheide für die Jahre 1997 und 1998, jeweils vom 14.12.2000, sowie unter dem 26.06.2001 den erstmaligen Bescheid für 1999. Wegen anderweitiger Gesichtspunkte änderte der Beklagte am 20.12.2001 erneut den Änderungsbescheid für 1998.
Im Rahmen der Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass die private Mitnutzung untersagt gewesen und das Nutzungsverbot auch eingehalten worden seien. Demgegenüber sah der Beklagte allein ein schriftliches Nutzungsverbot als nicht ausreichend an, um die private Mitbenutzung eines Firmen-Pkw zu verneinen. Nach seiner Auffassung wäre es vielmehr notwendig, dass ein Arbeitgeber das Einhalten des Nutzungsverbots etwa durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch wirksam überwacht. Aus diesem Grund wies der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2002 die Einsprüche als unbegründet zurück.
Der Kläger begründet seine Klage wie folgt: Der Beklagte habe zu Unrecht den Bruttoarbeitslohn um die Sachbezugswerte erhöht. Denn eine verbotswidrige private Nutzung des Unternehmens-Pkw sei nicht erwiesen. Allein ein nicht ordnungsgemäß geführt...