Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiskraft der Zustellungsurkunde. Verständlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der von den Familienkassen verwendeten Rechtsbehelfsbelehrung
Leitsatz (redaktionell)
1. Zum Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen müssen konkrete Umstände dargelegt werden, die ernstliche Zweifel an deren Richtigkeit begründen. Die bloße Behauptung der unterbliebenen Zustellung genügt dafür nicht.
2. Dass bei dem beschließenden Senat, der seit mehr als 15 Jahren für Verfahren betreffend Kindergeld nach dem EStG zuständig ist, noch in keinem Fall die Unverständlichkeit der von den Familienkassen verwendeten Rechtsbehelfsbelehrung geltend gemacht worden ist, wertet der Senat als Indiz für die ausreichende Verständlichkeit des Wortlauts dieser Rechtsbehelfsbelehrungen. Er teilt nicht die Zweifel des FG Köln (Urteile v. 24.6.2014, 1 K 3876/12, EFG 2014, 1759 und 1 K 1227/12, EFG 2014, 1760), sondern hält die Rechtsbehelfsbelehrung mit der überwiegenden finanzgerichtlichen Rechtsprechung für ordnungsgemäß.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; ZPO § 418 Abs. 2; AO § 356 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Weil der Antragsteller die erforderliche Bescheinigung über das Ende des Studiums seiner Tochter S. nicht eingereicht habe, hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. März 2015 die Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Antragstellers für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 30. September 2014 auf und forderte das danach zu viel gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 6.072 Euro zurück. Der Bescheid wurde dem Antragsteller nach dem Inhalt der Zustellungsurkunde am 30. März 2015 persönlich übergeben.
Nachdem der Antragsteller am 18. Mai 2015 ein Schreiben des Antragsgegners erhalten hatte, mit dem er zur Zahlung des zurückgeforderten Betrages aufgefordert worden war, setzte er sich mit diesem telefonisch in Verbindung. In dem Telefonat wurde ihm der Sachverhalt erläutert.
Daraufhin wandte sich der Antragsteller mit einem – offenbar per E-Mail übersandten – Schreiben vom 19. Mai 2015 an den Antragsgegner, dem er eine Kopie der Exmatrikulationsbescheinigung beifügte, wonach seine Tochter ihr Studium am 30. September 2014 beendet hatte. In diesem Schreiben erklärte er außerdem, dass er diese Bescheinigung bereits im Februar über die Dienstpost seiner Dienststelle eingereicht und den Bescheid vom 26. März 2015 nicht erhalten habe.
Der Antragsgegner wertete das Schreiben vom 19. Mai 2015 als Einspruch. Er erläuterte dem Antragsteller, dass der Einspruch verspätet eingelegt und deshalb unzulässig sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor.
Nachdem der Antragsgegner einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte, hat der Antragsteller im vorliegenden Verfahren die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides beantragt. Über den Einspruch selbst hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, der Einspruch sei nicht verspätet eingelegt und deshalb zulässig. Die Einspruchsfrist betrage ein Jahr, weil die Rechtsbehelfsbelehrung offensichtlich fehlerhaft sei.
Außerdem sei die Zustellung des angefochtenen Bescheides unwirksam, weil in der Zustellungsurkunde die Uhrzeit der Zustellung nicht vermerkt sei.
Im Übrigen sei selbst bei einer Verfristung des Einspruchs die Kindergeldfestsetzung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) abzuändern.
Schließlich stelle die Vollziehung für ihn, den Antragsteller, angesichts seiner finanziellen Situation eine unbillige Härte dar.
Zur Glaubhaftmachung seines Vortrags in tatsächlicher Hinsicht bezieht sich der Antragsteller auf seine eidesstattliche Versicherung vom 5. Juli 2015.
Der Antragsgegner hält den Antrag für unbegründet, weil der angefochtene Bescheid bestandskräftig sei und der gültigen Rechtslage entspreche.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz Finanzgerichtsordnung (FGO) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Derartige Zweifel bestehen im Streitfall nicht.
Der angefochtene Bescheid ist bestandskräftig und damit einer Prüfung durch das Gericht entzogen.
Der Bescheid ist dem Antragsteller am 30. März 2015 zugestellt und damit wirksam bekannt gegeben worden (§§ 122 Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 1 S. 1 AO).
Die Zustellung richtet sich gemäß § 122 Abs. 5 S. 2 AO nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Bei der von dem Antragsgegner gewählten Art der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde (§ 3 Abs. 1 S. 1 Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG –) gelten gemäß Abs. 2 S. 1 ...