Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nur innerhalb der Festsetzungs-/Feststellungsfrist. Abgabe einer zutreffenden Einkommensteuererklärung beendet die Anlaufhemmung auch hinsichtlich der Verlustfeststellung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit ist nur bis zum Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststelungsfrist zulässig.
2. Mit der Abgabe einer zutreffenden Einkommensteuererklärung endet die Anlaufhemmung bezüglich der Verlustfeststellung gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO auch dann, wenn im Mantelbogen das Feld „Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages” nicht angekreuzt ist.
Normenkette
AO § 181 Abs. 1 S. 1, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 129 S. 1; EStG § 10d
Tenor
Der Bescheid des Finanzamtes Y. über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2003 vom 16. Juni 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 2011 werden aufgehoben.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit im Sinne von § 129 der Abgabenordnung und die Möglichkeit, die Unrichtigkeit zu korrigieren.
Der Kläger reichte unter dem 13. November 2004 seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 ein. Darin erklärte er Verluste aus Gewerbebetrieb – der von ihm betriebenen Modeboutique – in Höhe von 5.327,79 Euro. Im Mantelbogen zur Steuererklärung ist bei dem Eintrag „Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages” kein Kreuz angebracht. Mit Bescheid für 2003 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 17. Dezember 2004 setzte das Finanzamt Y. die Einkommensteuer für 2003 auf 0,00 Euro fest. Dieser Festsetzung wurden Verluste aus Gewerbebetrieb in Höhe von 5.327.850,00 Euro zugrunde gelegt. Mit einem zweiten Bescheid vom 17. Dezember 2004 stellte das Finanzamt Y. den zum 31. Dezember 2003 verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d des Einkommensteuergesetzes für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 5.331.630,00 Euro fest.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2010 stellte das Finanzamt Y. den zum 31. Dezember 2003 verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d des Einkommensteuergesetzes für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sodann auf 8.580,00 Euro fest. Zur Begründung führte das Finanzamt Y. an, es handele sich um eine auf § 129 der Abgabenordnung gestützte Berichtigung des Feststellungsbescheides vom 17. Dezember 2004. Die Korrektur erfolge aufgrund eines Schreib- bzw. Erfassungsfehlers.
Zur Begründung seines dagegen gerichteten Einspruchs führte der Kläger an, die Berichtigung sei nach Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht mehr zulässig. Das Finanzamt Y. legte ihm daraufhin dar, dass hinsichtlich des Verlustfeststellungsbescheides unstreitig die Feststellungsfrist abgelaufen sei. Dies sei jedoch unerheblich, weil eine Änderung nach § 181 Abs. 5 Satz 1 der Abgabenordnung auch noch nach Ablauf der Feststellungsverjährung zulässig sei, wenn die getroffene Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung sei, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Eine Verlustfeststellung habe solange für eine Steuerfestsetzung Bedeutung, bis der festgestellte Verlust vollständig verrechnet worden sei. Der festgestellte Verlust habe Auswirkungen für die Steuerfestsetzungen zu den Jahren 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009.
Der Kläger legte dem Finanzamt Y. sodann die Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt (S 2745 A – 23 – St 54) vom 04. Januar 2008 zur Anwendung des § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung aufgrund der mit dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 vorgenommenen Neuordnung der Feststellungsfristen vor. Das Finanzamt Y. teilte dazu mit, dass nunmehr nicht mehr daran festhalten werde, dass Feststellungsverjährung eingetreten sei, weil eine Feststellungserklärung nicht abgegeben worden sei, so dass die Verjährungsfrist erst am 31. Dezember 2010 ablaufe.
Der Kläger machte demgegenüber geltend, dass er zur Abgabe einer Feststellungserklärung nur berechtigt, nicht aber verpflichtet gewesen sei.
Das Finanzamt Y. wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 2011 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 16. Februar 2011 Klage erhoben.
Er macht geltend, die vorgenommene Berichtigung sei nicht zulässig. Er habe zwar eine Verlustfeststellungserklärung insofern nicht abgegeben, als er in dem entsprechenden Feld des Mantelbogens für die Einkommensteuererklärung kein Kreuz angebracht habe. Dies sei aber für den Lauf der Verjährungsfrist unerheblich, denn nach der Rechtsprechung des Bundesf...