Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung eines Erstattungsanspruchs bei Abzweigung von Kindergeld an den Sozialleistungsträger. Rechtsweg. Rechtsschutzinteresse. Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Rückforderung eines Erstattungsanspruchs gemäß § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit §§ 102–109 und 111–113 SGB X ist der Finanzrechtsweg gegeben.
2. Streitigkeiten, die die Rückforderung von Kindergeld betreffen, regelt die Kindergeldbehörde durch Erlass eines Abrechnungsbescheides. Das gilt auch, wenn nicht der Kindergeldberechtigte sich gegen die Rückforderung eines zu Unrecht ausgezahlten Kindergeldbetrages wendet, sondern wenn ein Abzweigungsempfänger einer Rückzahlungsforderung entgegentritt. In diesem Fall ist ein Abrechnungsbescheid an den Kindergeldberechtigten zu erlassen, in dem über das Schicksal des zu Unrecht ausgezahlten Kindergeldbetrages entschieden wird.
3. Die Leistungsklage ist subsidiär gegenüber der Durchsetzung des Anspruchs durch Erlass eines Abrechnungsbescheides. Solange ein Abrechnungsbescheid nicht erlassen worden ist, gegen den dann der Rechtsweg eröffnet wäre, ist eine Leistungsklage mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 40 Abs. 1; AO 1977 § 218 Abs. 2, § 37; EStG 1997 § 74 Abs. 2, § 31 Abs. 1 S. 3; SGB X
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob zuviel Kindergeld erstattet wurde und ob dieses vom Beklagten zurückgezahlt werden muss.
Der Beklagte leistete durch sein Sozialamt der Tochter … der Kindergeldberechtigten … Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Infolgedessen meldete er mit Schreiben vom 29. Oktober 1997 einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff des zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) beim Kläger an.
Der Kläger zahlte darauf hin gemäß § 74 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EstG) nach der im Streitjahr geltenden Fassung des (EStG: § 74 Abs. 5) i.V.m. § 104 SGB X Kindergeld für … in Höhe von insgesamt 613,55 EUR (1.200 DM) für die Monate September bis Dezember 1997 an den Beklagten. Bei dem zu erstattenden Betrag ging er davon aus, dass auf … 153,39 EUR (300 DM) Kindergeld entfielen, weil sie als drittes Kind bei der Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen war, und dass dieser Betrag für jeden Monat zu erstatten sei. Diese Aufteilung war in dem Abrechnungsteil des an die Kindergeldberechtigte gerichteten Bescheides vom 16. Dezember 1997 enthalten, mit dem der Kläger Kindergeld für … ab August 1997 mit monatlich 153,39 EUR (300 DM) festgesetzt hatte Einen Abdruck dieses Bescheides übersandte der Kläger an den Beklagten.
Mit Bescheid vom 07. Juli 1998 hob der Kläger die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Kindergeldberechtigten auf, da entscheidungserhebliche Unterlagen nicht beigebracht worden waren. Zugleich erläuterte er, wie sich der auf Grund der Aufhebung von der Kindergeldberechtigten zu erstattende Betrag zusammensetzte und in welcher Weise er von ihr zu begleichen sei. Den an den Beklagten ausgezahlten Betrag forderte der Kläger von ihm mit Schreiben vom gleichen Tage zurück. Mit dem Rückforderungsschreiben übersandte der Kläger dem Beklagten einen Abdruck des Aufhebungsbescheides zur Kenntnis.
Die Kindergeldberechtigte wandte sich nicht gegen den Aufhebungsbescheid. Der von dem Beklagten eingelegte Einspruch vom 30. Juni 1999, mit dem er sich ausdrücklich gegen die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes wandte, wurde mit Entscheidung vom 19. August 1999 auf Grund fehlender Beschwer als unzulässig verworfen, die dagegen erhobene Klage (AZ: 2 K 369/99) wurde von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Nach Beibringung der maßgeblichen Unterlagen wurde mit Bescheid vom 18. Januar 2000 für den streitigen Zeitraum erneut Kindergeld festgesetzt und das ursprüngliche Erstattungsersuchen des Beklagten wiederum berücksichtigt. Jedoch war der Kläger nun der Ansicht, dass auf … monatlich nicht 153,39 EUR (300 DM), sondern gemäß § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG nur 126,29 EUR (247 DM) entfielen, was einem Drittel der monatlichen Kindergeldsumme entspricht.
Da der Beklagte der ursprünglichen Rückforderung noch nicht nachgekommen war, rechnete der Kläger mit dem nun wieder bestehenden Erstattungsanspruch auf und forderte nur die Differenz in Höhe von 108,39 EUR (212 DM = 300 DM X 4 Monate – 247 DM X 4 Monate) nach § 112 SGB X zurück, was der Beklagte jedoch verweigerte.
Am 13. Dezember 2000 hat der Kläger Klage erhoben. Der Beklagte müsse die zu Unrecht erstatteten Beträge gemäß § 112 SGB X zurückzahlen. Durch Verwaltungsakt könne der Kläger diesen Anspruch nicht geltend machen, weil sich die Beteiligten bei Streitigkeiten über Erstattungsansprüche nach §§ 102 bis 112 SGB X gleichrangig gegenüber stünden. Eventuell sei zu bedenken, ob nicht die Aufforderung an den Beklagten vom 07. Juli 1998, den...