Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Klageschrift bei fehlerhafter Benennung des Klägers. Auslegung Klageschrift nach BGB-Grundsätzen
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist unschädlich, dass der Name und die Anschrift des Klägers aus der Klageschrift nicht ausdrücklich hervorgehen, wenn diese Angaben durch Auslegung ermittelt werden können.
2. Bei der Auslegung der in der Klageschrift verkörperten Prozesshandlung sind die für die Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze (Ermittlung der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände) entsprechend anwendbar.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 133, 157
Tenor
Das Verfahren wegen Gewerbesteuermessbetrag 2009 wird eingestellt.
Im Übrigen ist die Klage zulässig.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine fehlerhafte Benennung des Klägers in der Klageschrift zu einer Unzulässigkeit der Klage führt.
Im Streitjahr 2009 erzielte der Kläger aus seinem Einzelhandelsgeschäft mit Kaffee Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Da er keine Steuererklärungen abgab, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen. Mangels Begründung wies er die Einsprüche durch Entscheidungen vom 23. Januar 2012 gegen den Einkommen- und Umsatzsteuerbescheid zurück und verwarf den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid als unzulässig.
Dagegen ist am 27. Februar 2012 die Klageschrift des Klägers, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, per Tele-Fax bei Gericht eingegangen. In der Klageschrift ist der Kläger mit „Kaffee-Kontor-B., …” bezeichnet. Name und Adresse des Klägers fehlen. Anlagen waren nicht beigefügt. In den Anträgen sind je Steuerart, Streitjahr und das Datum der Einspruchentscheidung angegeben worden.
Nach Ansicht des Klägers sei er konkret benannt worden. Das Kaffee-Kontor B., deren Inhaber er sei, werde bei dem Beklagten unter der Steuernummer … sowohl mit den betrieblichen Steuern als auch mit der privaten Einkommensteuer steuerlich geführt. Die Geschäftsadresse laute B. …str. 34; seine Wohnanschrift laute B. …str. 32. Eine Ladung könne über die Prozessbevollmächtigte vorgenommen werden. Die ausreichende Bezeichnung des Klägers müsse bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen.
Die Steuererklärungen hat der Kläger zur Begründung seiner Klage am 10. April 2012 bei dem Beklagten eingereicht.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuermessbescheid für das Kalenderjahr 2009 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 abzuändern.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Seiner Ansicht nach ist die Klage unzulässig, weil Name und ladungsfähige Anschrift des Klägers nicht innerhalb der Klagefrist angegeben wurden. Unter der in der Klageschrift angeführten Steuernummer werde Herr A. geführt, der unter der Bezeichnung Kaffee-Kontor-B. ein Einzelunternehmen in der …str. 32 in B. betreibe. Seine Wohnanschrift laute … in C.
Die Klage wegen Gewerbesteuermessbetrag 2009 hat der Kläger mit Schreiben vom 21. Januar 2013 zurückgenommen.
Die für den Kläger für das Streitjahr geführten Steuerakten haben dem Gericht vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das Verfahren wegen Gewerbesteuermessbetrag 2009 ist nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO einzustellen, denn der Kläger hat die diesbezügliche Klage zurückgenommen.
Im Übrigen entscheidet der Senat vorab gemäß § 97 FGO über die Zulässigkeit der Klage.
Das Gericht legt den Klageantrag dahingehend aus,
dass der Kläger beantragt,
den Einkommen- und Umsatzbescheid für das Kalenderjahr 2009 je vom 11. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 nach Maßgabe der eingereichten Steuererklärungen zu ändern.
Die Klage ist zulässig. Es ist unschädlich, dass der Name und die Anschrift des Klägers aus der Klageschrift nicht ausdrücklich hervorgehen, denn diese Angaben können durch Auslegung ermittelt werden.
Die Klage muss nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO unter anderem den Kläger und den Beklagten bezeichnen. Bei fristgebundenen Klagen – wie hier einer Anfechtungsklage nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO – muss spätestens mit Ablauf der Klagefrist die Identität der Beteiligten auf Grund entsprechender schriftlicher Angaben seitens des Klägers für das Gericht eindeutig und unverwechselbar feststehen. Die Bezeichnung muss so bestimmt sein, dass jeder Zweifel an der Person des Klägers und des Beklagten ausgeschlossen ist (von Groll in Gräber, Kommentar zur FGO, 7. Aufl., § 65 Rz. 23 m.w.N.; BFH-Urteil vom 11. 4. 1991 V R 86/85, BFHE 164, 219, BStBl II 1991, 729).
Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine nicht eindeutige Bezeichnung des Klägers entsprechend den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen vom Finanzgericht ausgelegt werden kann (BFH-Urteil vom 12. 5. 1989 III R 132/85, BFHE 157, 296, BStBl II 1989, 846 [847]). Bei der Auslegung der in der Klagesch...