Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichteheliche Lebensgefährten als Mitunternehmer eines Autohauses. Voraussetzungen von Mitunternehmerrisiko und -initiative. Haftung für die betrieblichen Steuern der Mitunternehmerschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein mit gebrauchten Fahrzeugen handelndes Autohaus u.a. durch systematisches Manipulieren der Tachometer und Verschweigen von Unfallschäden nachhaltig in Betrugsabsicht betrieben, so kann auch dann eine Mitunternehmerschaft zwischen dem nach außen gegenüber den Kunden nicht auftretenden Initiator des Betrugs und seiner formell in dem Autohaus als Arbeitnehmerin angestellten Lebensgefährtin bestehen, wenn der Initiator faktisch allein hinsichtlich Preisgestaltung und technischer Abläufe in dem Autohaus „das Sagen” hat und ihm im Wesentlichen die Erträge zufließen (umfassende Ausführungen zur Mitunternehmerinitiative und zum Mitunternehmerrisiko).
2. Es spricht für eine erhebliche Mitunternehmerinitiative der Lebensgefährtin, wenn sie einen erheblichen Teil der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, nämlich den Verkauf von Fahrzeugen einschließlich sämtlicher Vertragsverhandlungen mit den Kunden, weitgehend allein sowie die flankierenden Geschäfte (u.a. die Vorbereitung der Finanzierungsunterlagen sowie die Bankgeschäfte) gänzlich allein erledigt hat, wenn sie somit also erheblichen Einfluss auf geschäftliche Grundsatzentscheidungen hatte und das Autohaus in der konkreten Form ohne ihre Mitwirkung nicht hätte geführt werden können.
3. Auch wenn aufgrund der betrügerischen Betriebsführung des Autohauses Verluste nicht zu erwarten waren und die durch Provisionen eher geringfügig an den Erträgen beteiligte Lebensgefährtin kaum am Gewinn beteiligt war, kann ein erhebliches Mitunternehmerrisiko der Lebensgefährtin darin liegen, dass sie aktiv an den betrügerischen Handlungen mitgewirkt, sich somit der Gefahr einer strafrechtlichen Ahndung ausgesetzt hat, und zudem aufgrund des Zusammenlebens mit dem Betrugsinitiator im Rahmen einer Lebensgemeinschaft von den Erträgen des Autohauses, u.a. durch die Ermöglichung eines gemeinsamen luxuriösen Lebensstils, profitiert hat. Die von der Lebensgefährtin vorgetragene emotionale und psychische Abhängigkeit von ihrem dominanten Lebensgefährten ist kein Kriterium, das ihre Mitunternehmerstellung ausschließen könnte.
4. Die Lebengefährtin kann als Mitunternehmerin auch dann persönlich durch Haftungsbescheid für betriebliche Steuerschulden der Mitunternehmerschaft in Anspruch genommen werden, wenn sie sich zwischenzeitlich von ihrem Partner getrennt und sich von seinen Machenschaften losgesagt hat.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO 1977 § 191 Abs. 1, 4; HGB §§ 128, 167, 166, 164, 170
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen die Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin für die Umsatzsteuerschulden der Jahre 2001 und 2002 einer von dem Beklagten so benannten … GbR als Betreiberin des Autohauses „C.”. Die Klägerin, die damals noch ihren Geburtsnamen „…” trug, meint, sie sei nicht Mitunternehmerin, sondern nur Angestellte des … V. gewesen, der dieses Autohaus allein betrieben habe.
Der 1969 geborene V. betrieb seit 1990 in … und Umgebung teilweise allein, teilweise mit Kompagnons oder Strohleuten zusammen verschiedene Autohäuser mit erheblichem wirtschaftlichem Erfolg, und zwar jedenfalls in den letzten Jahren in strafbarer Weise: Fahrzeuge wurden mit hohem Kilometerstand, auch mit Unfallschaden, erworben und nach Zurückdrehen des Tachos und kosmetischen Maßnahmen als unfallfreie Fahrzeuge mit niedrigerem Kilometerstand veräußert. Zu diesen Autohäusern gehörte auch das von August 2001 bis September 2002 operativ tätige „C.” in …, um das es in diesem Verfahren geht. … K. (Namensgeber für dieses Autohaus) war dort unstreitig nur Strohmann. Mit der Klägerin hatte er formal einen Arbeitsvertrag geschlossen. V. ist mittlerweile unbekannten Aufenthalts.
Die 1971 geborene Klägerin war von 1989/ 1990 bis 2002 mit Unterbrechungen Lebensgefährtin des V.. Sie hatte nach ihrem Abitur Anfang der 90er Jahre eine Ausbildung zur Finanzkauffrau absolviert. Von 1993 bis 1999 war sie im … Sachsen-Anhalt, einer Abteilung der … xbank, beschäftigt. Dort hatte man ihr gekündigt. Sie hatte – nach eigener Angabe – einen Förderantrag des V. erhöht und so der Bearbeiterin vorgelegt. V. hätte statt dessen einen neuen Antrag einreichen müssen. Anschließend war sie arbeitslos, arbeitete sodann in anderen Autohäusern im Umkreis des V. mit, bevor sie im August 2001 in dem streitgegenständlichen C. mit V. zusammen oder für V. zu arbeiten begann, in dem sie Fahrzeuge verkaufte.
V. achtete in den verschiedenen Autohäusern wie auch im C. darauf, selbst gegenüber Kunden nicht in Erscheinung zu treten. Er ordnete jedoch gegenüber den jeweils im Geschäft befindlichen Personen an, zu welc...