rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Entfernungspauschale
Leitsatz (redaktionell)
Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage vorgelegt, ob die durch Art. 1 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19.7.2006 (BGBl. I, S. 1652) eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem Grundgesetz vereinbart ist.
Normenkette
GG Art. 3, 6, 20, 100; EStG § 9 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Bundesverfassungsgericht werden gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz – GG –, § 80 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
- Ist die durch Art. 1 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I, 1652) eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG – mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar?
- Ist die durch Art. 1 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I, 1652) eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar, soweit sie zu einer Beschränkung der Steuerfreiheit des Existenzminimums führen kann?
- Ist die durch Art. 1 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I, 1652) eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, soweit sie für beiderseits berufstätige Ehegatten Geltung beansprucht?
III. Der Beschluss ergeht unanfechtbar.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Eheleute, die beim Beklagten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Beide erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Kläger wohnen in Ensdorf. Der Kläger ist Diplomökonom und arbeitet im 60 km von seinem Wohnsitz entfernten Zweibrücken. Die Klägerin ist Assistentin der Geschäftsführung im 75 km von der Wohnung entfernten Reinsfeld bei Hermeskeil. Die Kläger legen die Strecken jeweils arbeitstäglich mit ihrem Pkw zurück.
Die Kläger haben am 20. November 2006 beim Beklagten für das Jahr 2007 einen Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung gestellt, mit dem sie Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernungspauschale) für den Kläger in Höhe von (220 Tage × 60 km × 0,30 C =) 3.960,00 EUR und für die Klägerin in Höhe von (220 Tage × 75 km × 0,30 EUR =) 4.950,00 EUR geltend machten. Der Beklagte berechnete die Entfernungspauschale entsprechend der ab dem Jahr 2007 geltenden Neufassung des § 9 Abs. 2 EStG ab dem 21. Entfernungskilometer und unter Kürzung um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von jeweils 920,00 EUR (§ 9 a Satz 1 Nr. 1 a EStG). Für den Kläger ergab sich ein Freibetrag von 1.720,00 EUR, für die Klägerin ein solcher von 2.710,00 EUR. Im Übrigen wurde der Antrag mit Bescheid vom 20. November 2006 abgelehnt (Bl. 6 RbA).
Den Einspruch vom 21. November 2006 (Bl. 7 RbA) hat der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 8–12 RbA). Hiergegen richtet sich die am 7. Dezember 2006 bei Gericht eingegangene Klage.
Die Kläger beantragen sinngemäß (Bl. 39),
unter Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsaktes vom 20. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2006 die Feststellungsbescheide (Eintragung von Freibeträgen) vom 20. November 2006 dahingehend abzuändern, dass auf den Lohnsteuerkarten 2007 der Kläger ein weiterer Freibetrag von jeweils (220 Tage × 20 km × 0,30 EUR =) 1.320,00 EUR einzutragen ist.
Zur Begründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Die Kürzung der Entfernungspauschale durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I, 1652) verstoße gegen das objektive und das subjektive Nettoprinzip und sei deshalb wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Alle zwangsläufigen Kosten zur Erhaltung der Erwerbstätigkeit seien Werbungskosten. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 6 GG bei beiderseits berufstätigen Ehegatten wie den Klägern. Die Neuregelung verstoße auch gegen Art. 11 GG und Art. 14 GG.
Der Beklagte beantragt durch Festhalten an seiner Einspruchsentscheidung,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er stützt sich auf die geänderte Rechtslage. Der Gesetzgeber könne das objektive Nettoprinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen. Bei der Beschränkung des Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits- bzw. Betriebsstätte sei die sachliche Rechtfertigung in der gebotenen Haushaltskonsolidierung zu sehen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 21 [Beklagter], 40 [Kläger]). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Das Gericht legt die aus dem Entscheidungsausspruch ersichtlichen Fragen gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird das Verfahren ausgesetzt.
Die Vorlage an das ...