Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Erteilung einer Steuernummer und auf Feststellung des örtlich zuständigen FA ist zulässig. Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer. keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, die Besteuerung durch ein unzuständiges FA zu dulden
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Rechtsschutzinteresse für eine Klage fehlt nur dann, wenn sich das Klageziel offensichtlich einfacher erreichen ließe oder mit der Klage rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgt würden.
2. Das Begehren auf Erteilung einer Steuernummer geht über die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines von einer örtlich unzuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsaktes hinaus. Es erscheint auch nicht rechtsmissbräuchlich, einen solchen Anspruch zu verfolgen, da der Gesetzgeber ausdrückliche Regelungen über die örtliche Zuständigkeit getroffen hat, deren Beachtung daher grundsätzlich auch einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein muss.
3. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer besteht nur insoweit, als ein Unternehmer im Hinblick auf § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG eine Steuernummer zur Ausstellung von Rechnungen benötigt.
4. Ein Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer ergibt sich nicht aus §§ 7 und 8 BuchO i. V. m. Art. 3 Abs. 3 GG.
5. Die Klage auf Feststellung, dass das beklagte FA und nicht ein anderes FA für die Besteuerung des Klägers örtlich zuständig ist und seinen Besteuerungsfall zu übernehmen hat, ist zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass ein Steuerpflichtiger gegen seinen Willen nicht die Besteuerung durch ein unzuständiges FA dulden muss.
6. Eine Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 S. 2 AO geht einer solchen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AO vor.
7. Bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer gibt es keine an den Ländergrenzen endende verbandsmäßige Zuständigkeit.
8. Sinn und Zweck des § 26 S. 2 AO ist es zwar, aus Zweckmäßigkeitsgründen bisher begonnene Verfahren zu Ende zu führen, dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn eine Behörde tätig geworden ist, die örtlich unzuständig war.
9. Die Regelung des § 367 Abs. 1 S. 1 AO stellt klar, dass die Ausgangsbehörde entscheidet und der Einspruch keinen Devolutiveffekt hat. Die Regelung betrifft daher die sachliche Zuständigkeit und lässt die Regelungen zur örtliche Zuständigkeit der §§ 17 ff. AO unberührt.
Normenkette
AO § 21 Abs. 1 Sätze 1-2, § 26 S. 2, §§ 27, 127; UStZustV § 1 Abs. 1 Nr. 15; UStG § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2; BuchO §§ 7-8; FGO § 40 Abs. 2, § 41 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Beklagte die örtlich zuständige Behörde für die Umsatzbesteuerung der Klägerin und verpflichtet ist, den Besteuerungsfall nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens vom Finanzamt Ludwigshafen zu übernehmen.
Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils hälftig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft „Société Anonyme”) luxemburgischen Rechts. Sie wurde am 17. September 1999 gegründet. Ihr statuarischer Sitz ist in X (zuvor Y) in Luxemburg. Zweck der Gesellschaft ist der An- und Verkauf sowie die Vermietung von Kränen und Baumaschinen aller Art. Seit Dezember 2008 ist die E Sarl, ebenfalls eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts, zu 100 % am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Am Stammkapital der E Sarl ist wiederum S mit Wohnsitz in B zu 100% beteiligt.
Die Klägerin war in Deutschland steuerlich zunächst nicht erfasst. Die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt A führte eine Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 2006 bis 2010 durch und kam zu dem Ergebnis, dass sich die Geschäftsleitung der Klägerin im Inland (67278 Bockenheim) befunden habe. Am 17. April 2012 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf umsatzsteuerliche Erfassung als ausländische Unternehmerin. Den Antrag lehnte der Beklagte am 13. September 2012 mit dem Hinweis auf die Feststellungen der Steuerfahndung A ab, wonach sich die Geschäftsleitung der Klägerin in B befunden habe. Der Beklagte verwies die Klägerin daher auf eine umsatzsteuerliche Erfassung beim auch für die Ertragssteuern zuständigen Lagefinanzamt, (damals) dem Finanzamt B. Die Klägerin, die im Juni 2012 ihren Sitz von X nach Y verlegt hatte, nunmehr eine Bankverbindung in Luxemburg angab, ihren in Deutschland wohnhaften Geschäftsführer abberufen und die in Luxemburg und Frankreich wohnhafte R zur neuen Geschäftsführerin bestellt hatte, stellte am 4. Dezember 2012 beim Beklagten erneut den Antrag auf Erteilung einer Steuernummer. Diesen wies der Beklagte am 11. Dezember 2012 unter Hinweis auf die ...