Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzungsbefugnis bei Abgabe unvollständiger Steuererklärungen einer Kapitalgesellschaft. Zuschätzung des Aufgabegewinns bei tatsächlicher Verständigung über die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung ins Ausland. Keine Verpflichtung zur Abhaltung eines Erörterungstermins bei Verletzung der Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat eine Kapitalgesellschaft auch nach Jahren nur „vorläufige” Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheide abgegeben, ist das Finanzamt zum Erlass von Schätzungsbescheiden berechtigt.
2. Haben die Beteiligten durch eine tatsächliche Verständigung festgestellt, dass der Ort der Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft im letzten Streitjahr (hier 2002) ins Ausland verlegt worden ist, so darf das FA bei der Schätzung unter Aufdeckung der stillen Reserven einen Aufgabegewinn nach den §§ 11, 12 KStG 2002 hinzuschätzen.
3. Das FA ist nicht nach § 364a AO zu einem Erörterungstermin verpflichtet, wenn der Steuerpflichtige auch im Einspruchsverfahren seine Steuererklärungspflicht noch nicht erfüllt hat.
Normenkette
AO § 162 Abs. 2 S. 1, § 364a Abs. 1 S. 1, § 149; KStG 2002 § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 11-12
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin streitet mit dem Beklagten um die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen zur Umsatz- und Körperschaftsteuer der Streitjahre 2001 und 2002.
Die Beteiligten trafen im Rahmen mehrerer beim Finanzgericht anhängiger Rechtsstreite am 18. Januar 2005 eine tatsächliche Verständigung. Danach gehen die Beteiligten davon aus, „dass der Ort der Geschäftsleitung (der Klägerin) … von 1999 bis 2002 …in C gewesen ist ”. Der Beklagte verpflichtete sich u.a., für die Jahre 1999 bis 2002 „umgehend die Ertrag- und Umsatzsteuern auf der Basis der eingereichten Steuererklärungen … zu veranlagen”. Die Klägerin sagte zu, „die ausstehenden vollständigen Steuererklärungen bis spätestens zum 30. August 2005 beim Beklagten einzureichen”.
Nachdem die Klägerin keine vervollständigten Steuererklärungen eingereicht hatte, erließ der Beklagte am 19. Dezember 2005 im Wege der Schätzung (§ 162 AO) Steuerbescheide zur Umsatz- und Körperschaftsteuer für 2001 und 2002. Dabei legte er Umsätze von 1,75 Mio. DM (2001) und 1,295 Mio. Euro (2002) sowie Gewinne von 18.714 DM (2001) und 99.405 Euro (2002) zugrunde (Rbh, Bl. 51 ff.). Grundlage der Schätzung bildeten die von der Klägerin erklärten Vorjahresergebnisse und -umsätze. Hiergegen legte die Klägerin am 13. Januar 2006 Einsprüche ein (Rbh, Bl. 1 ff).
Mit Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2005 (Bl. 4 ff.) wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
Am 28. August 2006 hat die Klägerin Klage erhoben (Bl. 1). Sie beantragt sinngemäß,
die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 2001 und 2002 vom 19. Dezember 2005 in Form der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2005 durch Herabsetzung der Steuer zu ändern.
Die Klägerin macht geltend (Bl. 56 f., 58 ff.), die Schätzungen des Beklagten seien überzogen. So habe das Finanzamt eine unberechtigte Auflösungsbesteuerung vorgenommen. Die Sitzverlagerung sei nicht erst im Jahr 2002 erfolgt, sondern zu Beginn der 90er Jahre. In der tatsächlichen Verständigung vom 18. Januar 2005 sei der Sitz der Klägerin für die Jahre 1999 bis 2002 fiktiv in das Inland verlegt worden.
Hinsichtlich der Umsatzsteuer müsse die Schätzung den Angaben in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen entsprechen.
Überdies habe der Beklagte verabsäumt, den von der Klägerin beantragten Erörterungstermin (§ 364a AO) durchzuführen. Auch sei ein Beteiligtenwechsel zu vollziehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Beklagte weist darauf hin, dass nach wie vor die Steuererklärungen der Streitjahre ausstünden. Er habe sich bei seinen Schätzungen an den Vorjahresumsätzen und -ergebnissen orientiert (Bl. 78 ff.).
Die Klägerin verdränge offenkundig, dass am 15. Dezember 2005 eine Erörterung unter Beteiligung der Klägerin erfolgt sei. Insoweit verweist der Beklagte auf den am 16. Dezember 2005 gefertigten Aktenvermerk (Bl. 71 ff.).
Ein Beteiligtenwechsel sei, wie schon mehrfach vom Senat entschieden, nicht erforderlich.
Nach Ladung der Klägerin zur mündlichen Verhandlung hat diese unter Hinweis auf verfahrensrechtliche Bestimmungen die Aufhebung und Verlegung des Termins beantragt. In einem weiteren Schreiben vom 13. August 2009 hat die Klägerin den Antrag auf Terminaufhebung damit begründet, dass ihr Prozessbevollmächtigter verhindert sei, an dem für den 26. August 2009 anberaumten Termin teilzunehmen. Gleiches gelte für ihren Geschäftsführer. Dieser befinde sich an diesem Tag in Urlaub.
Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 13. August 2009 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt, den der Senat durch Beschluss vom 18. August 2009 abschlägig beschieden hat.
Am Tag vor der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin per Fax dem Gericht w...