Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung; Weiterleitungseinwand nur bei rechtswirksamem Verzicht des Kindergeldberechtigten
Leitsatz (redaktionell)
- Erhält die Familienkasse nachträglich Kenntnis von der fehlenden Haushaltszugehörigkeit eines Kindes, so kann die hierauf bezogene (fiktive) Kindergeldfestsetzung ggf. ab Januar 1996 aufgehoben werden. Privatrechtliche Unterhaltsvereinbarungen zwischen dem tatsächlich Kindergeldberechtigten und dem Zahlungsempfänger sind insoweit unerheblich.
- Unabhängig davon, ob außerhalb eines besonderen Billigkeitsverfahrens gegenüber dem Rückforderungsanspruch der Familienkasse der sogenannten Weiterleitungseinwand erhoben werden kann, setzt dies neben einer entsprechenden Bestätigung des Kindergeldberechtigten auch dessen rechtswirksamen Verzicht auf den Kindergeldanspruch voraus.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2, §§ 163, 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1; EStG § 64 Abs. 2 S. 1; EStG 1996 § 78 Abs. 1 S. 1; DA-FamEStG 64.4. Abs. 4, 6 S. 3
Tatbestand
I. Die Antragstellerin bezog Kindergeld für ihre Kinder 'A' (geboren 1982) und 'B' (geboren 1988). Im April 1999 erfuhr der Antragsgegner - die Familienkasse - davon, dass der Sohn 'B' seit der Trennung der Eltern im August 1992 bei seinem Vater lebt. Daraufhin setzte die Familienkasse gegenüber der Antragstellerin für 'B' ab Mai 1999 kein Kindergeld mehr fest; dieser Bescheid ist bestandskräftig. Später hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für 'B' rückwirkend ab Januar 1996 auf und forderte von der Antragstellerin Kindergeld in Höhe von 8.680 DM zurück. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte die Familienkasse aus, bei mehreren grundsätzlich kindergeldberechtigten Elternteilen stehe das Kindergeld demjenigen zu, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Demgemäß stehe der Kindergeldanspruch für 'B' ab Januar 1996 (Beginn der Geltung des Einkommensteuergesetzes für das Kindergeldrecht) dem Kindesvater und nicht mehr der Antragstellerin zu. Gemäß § 70 Abs. 2 EStG sei insoweit die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Antragstellerin ab diesem Zeitpunkt aufzuheben gewesen. Die Erstattungspflicht folge aus § 37 Abs. 2 AO. Der Nachweis über die Weiterleitung des Kindergelds an den geschiedenen Ehemann sei nicht erbracht worden.
Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 18 K 7077/99 Kg anhängig ist. Sie trägt vor, beide Elternteile hätten nach der Trennung vereinbart, dass der Antragstellerin das Kindergeld für beide Kinder zustehen solle. An dieser Vereinbarung habe man auch nach der Änderung des Kindergeldrechts festgehalten. Der wirtschaftlich stärkere geschiedene Ehemann habe für den Sohn 'B' keinen Kindesunterhalt gefordert, andererseits auch für die Tochter 'A' keinen Unterhalt gezahlt; zusätzlich habe die Antragstellerin das Kindergeld für 'B' anstelle einer Unterhaltsleistung für 'A' vereinnahmen dürfen. Der geschiedene Ehemann hat demgegenüber lediglich bestätigt, dass die Antragstellerin nach der Trennung weiterhin das Kindergeld erhalten habe; es habe sich dabei aber nicht um einen Ausgleich mit Unterhaltszahlungen für seine Adoptivtochter 'A' gehandelt. Von einer Regelung über Unterhaltsleistungen sei ihm nichts bekannt. Die Antragstellerin meint, der geschiedene Ehemann hätte das für 'B' gezahlte Kindergeld von ihr nicht zurückfordern dürfen, weil er diesen Betrag dann im Gegenzug als Unterhalt für 'A' sofort wieder hätte zurückgewähren müssen. Deshalb müsse die Verrechnung mit dem Unterhalt als Weiterleitung des Kindergelds angesehen werden. Wegen der Weiterleitung des Kindergelds könne die Familienkasse nicht die Rückzahlung des Betrags von 8.680 DM verlangen.
Die Antragstellerin beantragte bei der Familienkasse mehrmals (mit Schreiben vom 28.10.1999 und vom 23.10.2001) die Aussetzung der Vollziehung des Rückforderungsbescheids. Die Familienkasse bearbeitete diese Anträge -trotz regelmäßiger Anfragen des Landesarbeitsamts (Kasse) zum Stand des Aussetzungsverfahrens- nicht. Mit Zahlungsmitteilung vom 10.10.2001 und mit Vollstreckungsankündigung vom 26.11.2001 wurde die Antragstellerin zur Zahlung von 8.680 DM aufgefordert.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr die Aussetzung der Vollziehung des Rückforderungsbescheids durch das Gericht. Sie beantragt sinngemäß,
den Rückforderungsbescheid vom 10. August 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. September 1999 bis zum Abschluss des Klageverfahrens 18 K 7077/99 Kg in der Vollziehung auszusetzen.
Die Familienkasse beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält den Antrag zwar für zulässig, aber für unbegründet. Die Rückforderung sei rechtmäßig. Etwaige privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Elternteilen hätten auf den Kindergeldanspruch keinen Einfluss. Auf die Rückforderung könne auch nicht im Billigkeitsweg verzichtet werden, weil der Kindesvater eine Weiterleitung des Kindergelds nicht bestätigt (und insoweit auch nicht auf seinen Kin...