Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei Einschaltung sog. „Serviceunternehmen” im Baugewerbe
Leitsatz (redaktionell)
Ungeachtet der für die Bestimmung des Leistenden grundsätzlich maßgebenden zivilrechtlichen Vereinbarungen ist der Vorsteuerabzug aus Leistungen von Subunternehmern wegen fehlender Identität zwischen Rechnungsaussteller und dem tatsächlich leistenden Unternehmer zu versagen, wenn der hinreichend konkrete und von dem Steuerpflichtigen nicht widerlegte Verdacht besteht, dass die Funktion der Subunternehmer sich auf Serviceleistungen (Vertragsabschluss, Rechnungserteilung, Geldvereinnahmung) für Dritte – etwa Schwarzarbeiterkolonnen – beschränkt.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1993, 1994, 1995
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin - Klin - betreibt in A-Stadt in der Rechtsform der GmbH & Co. KG ein Bauunternehmen. Zur Ausführung der Bauvorhaben bediente sie sich zahlreicher Subunternehmen. Eine Umsatzsteuersonderprüfung des Betriebsfinanzamts, des Beklagten - Bekl -, kam im Bericht vom 15.1.1996 zu dem Ergebnis , daß für die Streitjahre 1993 - 1995 Vorsteuerabzüge aus Rechnungen einer Reihe von Subunternehmen, nämlich im Einzelnen der Firmen
(1) K Baugesellschaft mbH, B-Stadt, (Geschäftsführer - Gf .- J. K),
(2) N GmbH, C-Stadt, (Gf. L. M),
(3) O Bau GmbH, D-Stadt, (Gf. L. O),
(4) T GmbH, C-Stadt, (Gf. P. Q, später R. S),
(5) U Bau GmbH, E-Stadt, (Gf. V. U),
(6) W GmbH, F-Stadt, Niederlassg. A-Stadt, (Gf. abwechselnd X.Y u. Z. A),
(7) B Bau GmbH, G-Stadt, (Gf. C. D),
(8) E Bau GmbH, H-Stadt (Gf. F. E),
nicht berücksichtigt werden könnten, da der tatsächlich leistende Unternehmer aus den Rechnungsangaben nicht hervorgehe. Es handele sich insoweit um sog. Service- bzw. Scheinunternehmen. Der Bekl setzte daraufhin die Umsatzsteuern um die in Frage stehenden Vorsteuerbeträge erhöht fest. Nachdem der Bekl über die dagegen Einsprüche zunächst noch nicht entschied, erhob die Klin die vorliegende Klage. Nach zum Teil geänderter Festsetzung (1994) und Ersetzung von Vorauszahlungsbescheiden durch den Jahressteuerbescheid (1995) ergingen - auch auf der Grundlage einer weiteren Prüfung des Finanzamts für Großbetriebsprüfung A-Stadt (Bericht vom 2.2.1998) - zurückweisende Einspruchsentscheidungen. Mit der nunmehr auch dagegen gerichteten Klage machte die Klin geltend, daß die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorlägen. Sie weist auf die tatsächliche Existenz der leistenden Firmen als Rechtspersonen und wirtschaftlich tätige Unternehmen hin, die sie sich in allen Fällen durch einschlägige Bestätigungen und Bescheinigungen von Behörden und öffentlich-rechtlich anerkannten Institutionen (darunter Finanzamt, Gewerbemeldeamt, Handelsregister, Handwerkskammer, Bauberufsgenossenschaft, Krankenkasse), zum Teil auch in später aktualisierter Form, habe nachweisen lassen. Die entsprechenden Unterlagen sowie weiterer Schriftverkehr hätten der Verwaltung bei den Prüfungen vollständig vorgelegen. Die Klin als Leistungsempfängerin habe damit alles ihr Mögliche und Zumutbare getan, um sich von der Unbedenklichkeit der Vertragspartner zu überzeugen. Der in den Rechnungen angegebene Sitz der Unternehmen habe bei Rechnungsausstellung bestanden. Die Bauleistungen seien unstreitig ausgeführt und bezahlt worden. Angesichts dieser Umstände reichten die von der Finanzverwaltung angeführten Tatsachen nicht aus, um nach den Grundsätzen der Feststellungslast von nicht nachvollziehbaren Rechnungsangaben über die Person des Leistenden auszugehen. Die Sitzverlegung oder das „Untertauchen” der leistenden Personen erst nach Ausführung der Leistung und Rechnungsstellung könne der Klin nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mit der Folge eines versagten Vorsteuerabzugs angelastet werden.
In einem Beschluß vom 30.6.1999 - 5 V 2799/99 A hat der erkennende Senat über den vorläufigen Rechtsschutz zum Teil abschlägig entschieden. In Reaktion darauf hat die Klin neben rechtlichen Einwänden zum Sachverhalt selbst zusätzlich vorgebracht: Es werde vor allem der Annahme des Gerichts widersprochen , daß die Existenz und die Inanspruchnahme der Dienste von „Service-Unternehmen” insbesondere in der Bauwirtschaft in den beteiligten Geschäftskreisen als weitgehend bekannt unterstellt werden könne. Unbewiesen sei vom Gericht in dem Beschluß angeführte Gesichtspunkt, die Geschäftsführung der Gesellschaften sei durch Personen, die hierfür nach ihrer Ausbildung oder Tätigkeit ungeeignet erschienen seien, ausgeübt worden. Im Übrigen machte die Klin zu den Rechnungen der Subunternehmen im Einzelnen geltend:
Zu der Fa. K (Subunternehmer-Firma Nr. 1) könne der Klin nicht vorgehalten werden, daß sie keine Begründung für den Abbruch der Geschäftsbeziehung vorgebracht habe (Gesichtspunkt gem. Buchst. l in dem Beschluß). Der Auftrag an die Subunternehmerin habe sich auf konkrete Bauvorhaben bezogen und sei zeitlich begrenzt ...