Entscheidungsstichwort (Thema)
Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes während des Schulbesuches im (Nicht-EU) Ausland
Leitsatz (redaktionell)
Zunächst im Inland wohnhafte Kinder deutscher Staatsangehörigkeit, die sich zum Zweck des weiteren Schulbesuchs im arabischen Herkunftsland für 19 Monate bei ihren dort ansässigen Großeltern aufhalten und in der Regel nur in den Ferienzeiten nach Deutschland zurückkehren, haben in diesem Zeitraum keinen - einen Anspruch des potentiellen Berechtigten auf Kindergeld - begründenden inländischen Wohnsitz, wenn sie während ihrer Auslandsaufenthalte von ihrer Mutter begleitet werden und der im Inland verbliebene Vater bis zur Rückkehr der Kinder in eine deutlich kleinere, etwa 46 m² große Wohnung umzieht.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 6; AO § 8
Streitjahr(e)
2015, 2016, 2017
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kindergeldberechtigung des Klägers für seine Kinder B (geb. 15.10.2006) und C (geb. 24.8.2008) im Zeitraum September 2015 bis einschließlich Mai 2017.
Die Familie lebte zunächst in Deutschland. Eltern und Kinder sind deutsche Staatsangehörige. Die Kinder besuchten den Kindergarten und zunächst auch die Grundschule in Deutschland. Damit die Kinder die arabische Sprache lernen, sollten sie im streitbefangenen Zeitraum bei ihren Großeltern in Z-Land leben und dort zur Schule gehen. Anfang September 2015 reisten die Kinder aus Deutschland aus. Die Mutter der Kinder begleitete diese nach Z-Land. Mutter und Kinder hielten sich in diesem Zeitraum größtenteils in Z-Land auf, unterbrochen durch folgende Zeiten in Deutschland:
24.1. bis 7.2.2016
19.6. bis 22.9.2016
29.1. bis 22.2.2017
Zum 1.9.2015 gab der Kläger die bisher mit der Familie bewohnte Wohnung “D-Str. 1” auf und verzog an die nur etwa 200 Meter entfernte Anschrift “E-Str. 2”. Im Juni 2017 kehrten die Kinder nach Deutschland zurück und nahmen den Schulbesuch wieder auf. Die Familie zog zum 1.6.2017 in die - wiederum in unmittelbarer Nähe befindliche - Wohnung “D-Str. 1” ein.
Am 26.1.2016 beantragte der Kläger Kindergeld, wobei er als Adresse der Kinder die Anschrift der Großeltern in Z-Land angab. Die Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 6.10.2016 für den Zeitraum ab September 2015 unter Hinweis auf § 63 Abs. 1 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab, da der Wohnsitz der Kinder nicht in Deutschland, einem EU- oder EWR-Staat liege.
Hiergegen legte der Kläger unter dem 8.11.2016 Einspruch ein und führte im Wesentlichen aus, dass der Aufenthalt bei den Großeltern nur vorübergehender Natur gewesen sei. Die Kinder seien regelmäßig und nicht nur in den Ferien in Deutschland gewesen und ihre endgültige Rückkehr nach Deutschland sei spätestens 2017 geplant. Es liege daher durchgängig ein Wohnsitz im Sinne des § 8 der Abgabenordnung (AO) in Deutschland vor.
Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24.5.2017 als unbegründet zurück. Sie führte im Wesentlichen aus, dass bei längeren Auslandsaufenthalten von einer Aufgabe des inländischen Wohnsitzes auch dann auszugehen sei, wenn kurzfristige Inlandsaufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken erfolgten. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insbesondere für minderjährige Kinder, die sich zu Ausbildungszwecken bei Verwandten im Ausland aufhielten und nur die Schulferien bei den Eltern im Inland verbrächten. Denn dabei gehe es um die Festigung der Bindung zur ursprünglichen Heimat der Familie. Die elterliche Wohnung stehe dem Kind dann nicht mehr jederzeit, sondern nur noch während der Ferienzeit zur Verfügung. Der Fall sei auch nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen Kinder einen Ausbildungsabschnitt im Ausland, das nicht ihr Heimatland sei, absolvierten.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 30.6.2017 (Eingang bei Gericht am selben Tag), mit der der Kläger seinen Vortrag aus dem Einspruchsverfahren aufrechterhält und vertieft. Zur Zulässigkeit der Klage führt er aus, dass die Einspruchsentscheidung ihm erst am 31.5.2017 zugegangen sei. In der Sache sei zu berücksichtigen, dass die Kinder durchgängig ihre Kinderzimmer in der elterlichen Wohnung gehabt und während ihrer Deutschlandaufenthalte den Kontakt zu Freunden gepflegt hätten. Ein dauerhafter Verbleib in Z-Land sei nie erwogen worden.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 6.10.2016 in Form der Einspruchsentscheidung vom 24.5.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Kinder B und C im Zeitraum von September 2015 bis Mai 2017 Kindergeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass die Herkunft der Eltern zwar allein kein ausschlaggebendes Kriterium sei, sich jedoch aus den familiären und kulturellen Umständen am Aufenthaltsort Hinweise für das Entstehen neuer Beziehungen und die Lockerung der bisherigen Bindungen ergeben könnten. Dies sei nach der Recht...