rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 5 EStG
Leitsatz (redaktionell)
- Die Geltendmachung des nachrangigen Abzweigungsanspruchs nach § 74 Abs. 1 EStG eröffnet nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG bei Anspruchsgrundlagenkonkurrenz den Finanzrechtsweg auch wegen des Erstattungsanspruchs zwischen Sozialleistungsträgern nach § 74 Abs. 5 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 SGB X.
- Bei bestandskräftiger Heranziehung des Kindergeldberechtigten zu den Kosten für die Heimunterbringung des Kindes folgt der Erstattungsanspruch des Jugendhilfeträgers gegen die Familienkasse ungeachtet der fehlenden Nachrangigkeit und Gleichartigkeit seiner (Sach-)Leistung aus § 74 Abs. 5 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 S. 1, § 155; GVG § 17 Abs. 2 S. 1; EStG § 74 Abs. 1, 5; SGB X § 104 Abs. 1 Sätze 1-2, 4
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin gegen das beklagte Arbeitsamt ein Anspruch auf Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG bzw. ein Erstattungsanspruch gem. § 74 Abs. 5 EStG i.V.m. § 104 SGB X zusteht.
Die Beigeladene zu 1) bezog für das am 16. Juni 1986 geborene Kind A Kindergeld. Die Ehe der Beigeladenen ist geschieden; das Sorgerecht hat die Beigeladene. Das Kind hielt sich zunächst bei seiner Mutter auf. Wegen Erziehungsschwierigkeiten beantragte die Beigeladene am 14. Januar 1997 Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII durch eine Heimunterbringung zwecks Diagnoseerstellung im Kinderheim xy. Ausweislich des Protokolls des Jugendamtes vom selben Tag zum Hilfeplan war Grund der Unterbringung die Diagnoseerstellung, eine Fallerörterung sowie die Erarbeitung adäquater Maßnahmen. Seit dem 15. Januar 1997 befand sich das Kind in dem genannten Kinderheim. Mit Bescheid vom 20. Februar 1997 gewährte die Klägerin der Beigeladenen ab dem 15. Januar 1997 die beantragte Hilfe zur Erziehung gem. § 34 SGB VIII, verbunden mit dem notwendigen Lebensunterhalt durch Übernahme der Heimpflegekosten.
Am 20. Februar 1997 beantragte die Klägerin beim Beklagten gem. § 104 SGB X bzw. § 74 Abs. 1 EStG das Kindergeld einzubehalten und an sich - die Klägerin - zu überweisen. Mit an die Beigeladene gerichtetem Bescheid vom 4. März 1997 hob der Beklagte die Bewilligung des Kindergeldes ab März 1997 auf, weil das Kind nicht mehr in deren Haushalt lebe. Mit Bescheid vom 22. Januar 1998 lehnte der Beklagte den Antrag auf Auszahlung des Kindergeldes mit der Begründung ab, der Bescheid über die Aufhebung des Kindergeldes sei bestandskräftig geworden. Da keiner der Elternteile Barunterhalt leiste, könne das Kindergeld nur an denjenigen gezahlt werden, der vom Vormundschaftsgericht zum Berechtigten bestimmt worden sei; eine entsprechende Bestimmung liege nicht vor. Gegen diesen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid erhob die Klägerin Einspruch, welchen der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 8. Juli 1998 als unbegründet zurückwies. Er führte aus, entgegen der Auffassung der Klägerin liege für die Dauer der Heimunterbringung keine Aufnahme in den Haushalt der Beigeladenen mehr vor, so daß die vormundschaftsgerichtliche Bestimmung des Kindergeldberechtigten nicht entbehrlich sei. Mangels einer derartigen Bestimmung sei der Tatbestand des § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht erfüllt.
Die Klägerin hat am 7. August 1998 Klage erhoben. Sie trägt vor, ihr Anspruch ergebe sich aus § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG. Sie gewähre dem Kind A Unterhalt durch die Übernahme der Heimpflegekosten und anderer Barleistungen. Soweit der Beklagte hiergegen einwende, auf Grund der Heimunterbringung sei die Beigeladene mangels Haushaltsaufnahme nicht mehr Kindergeldberechtigte, werde der Begriff der Haushaltsaufnahme verkannt. Die Heimunterbringung erfolge lediglich vorübergehend zu erzieherischen Zwecken und sei nicht auf Dauer geplant. Es sei, anders als bei Pflegekindern, die ursprüngliche Aufgabe der Erziehungshilfe in Form der Heimunterbringung, den Familienverbund aufrecht zu erhalten. Das Kind verbringe seit 1997 jeweils die Ferien, dann im Monats-, später im vierzehntägigen Rhythmus und jetzt an jedem Wochenende seine Zeit bei der Mutter. Nach seinen Berechnungen habe sich das Kind zumindest ein Drittel der Zeit bei der Mutter aufgehalten. Es sei beabsichtigt gewesen, das Kind nach der Teilnahme an einem Ferienlager im Sommer 1999 aus dem Heim zu entlassen. Nachdem das Kind jedoch die Ferien bei der Mutter verbracht habe, habe sich gezeigt, dass aufgrund der fortbestehenden Erziehungsschwierigkeiten eine endgültige Rückführung noch nicht möglich sei. Kind und Mutter verbinde eine starke Hassliebe. Ergänzend werde der Anspruch auch auf § 74 Abs. 5 EStG mit § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X gestützt. Mit Bescheid vom 11. Januar 1999 sei die Beigeladene gem. §§ 91 SGB VIII zu einem Kostenbeitrag ab dem 15. Januar 1997 in Höhe des jeweiligen Kindergeldes herangezogen worden.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 1998 aufzuheben und
2. den Beklagten zu verpflichten...