Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Auskunftsrecht der Steuerfahndung gegen Wertpapierhandels-AG nach deren Eigentümern wegen allgemeiner Defizite bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen
Leitsatz (redaktionell)
- Der auf allgemeiner Erfahrung beruhende Hinweis auf Besteuerungsdefizite bei Veräußerung wesentlicher Beteiligungen ist keine ausreichende Grundlage für ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung an eine AG, sie solle Aktionärsverzeichnisse vorlegen; auch der Hinweis auf ein evt. strukturelles Vollzugsdefizit infolge der bei Aktienverkäufen fehlenden Anzeigepflicht genügt nicht.
- Für die Rechtmäßigkeit eines derartigen Auskunftsersuchens bedarf es vielmehr konkreter Darlegungen (z. B. spezifischer, institutsbezogener Erkenntnisse) zu Anhaltspunkten für mögliche Steuerverkürzungen der betroffenen Anteilsinhaber.
Normenkette
AO § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, §§ 93, 97; EStG § 17
Streitjahr(e)
1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines vom Beklagten an die Klägerin gerichteten Auskunfts- bzw. Vorlageersuchens.
Die Klägerin betreibt einen Handel mit Wertpapieren in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Der Beklagte forderte mit Schreiben vom 27. März 2003 die Klägerin auf, die Aktionärsverzeichnisse, die den Jahreshauptversammlungen 1997 bis 2002 zu Grunde gelegen haben, vorzulegen. Dabei wurde die Vorlage auf §§ 208 Abs. 1 Nr. 3, 93 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 97 Abgabenordnung - AO - gestützt und angegeben, dass es sich nicht um ein Steueraufsichts- bzw. Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin handele, sondern im Rahmen der Steueraufsicht die Veräußerung von Anteilen an der Aktiengesellschaft überprüft werden solle.
Die Klägerin legte gegen diese Aufforderung Einspruch ein. Der Beklagte beschränkte hierauf das Auskunftsersuchen mit Schreiben vom 13. Juni 2003 auf den Zeitraum 1998 bis 2002. In der Folge wies er den Einspruch der Klägerin durch Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2004 zurück.
Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass das Auskunftsersuchen wegen der Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung rechtswidrig sei, da sie über die mit ihrer eigenen gewerblichen Betätigung zusammenhängenden Informationen keine Rechenschaft abzulegen brauche und sie im Übrigen ihren Aktionären zur Geheimhaltung gesetzlich verpflichtet sei. Diese Rechtsverletzung sei auch nicht durch § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gedeckt, da dieser nicht zu Ermittlungen ins Blaue hinein im Rahmen einer Rasterfahndung berechtige, sondern die einzelnen Aufklärungsmaßnahmen durch konkrete Anhaltspunkte gerechtfertigt sein müssten. Vorliegend wolle der Beklagte aber einfach nur „aufs Geradewohl” ermitteln, da die Maßnahme keine konkreten Vorgänge und keine bestimmten Personen zum Gegenstand habe. Vielmehr sei die Vorlage ohne Rücksicht auf steuerliche Relevanz auf möglichst flächendeckende Offenbarung gerichtet. Sie sei nicht auf die Klägerin beschränkt, sondern „rasterhaft” bei einer Vielzahl von Aktiengesellschaften durchgeführt worden. Auch der Hinweis des Beklagten auf die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen zur Übertragung von GmbH-Anteilen einerseits und Aktien andererseits und der hieraus fehlenden fiskalischen Überwachungsmöglichkeit derartiger Vorgänge rechtfertige das Auskunftsverlangen nicht, da es sich lediglich um einen Hinweis auf die allgemeine Gesetzeslage, also auf Gegebenheiten genereller und abstrakter Art handele und nicht, wie es für § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO erforderlich sei, einen konkreten Anhaltspunkt für die steuerliche Rechtserheblichkeit der mit dem Auskunftsersuchen angestrebten Information erkennen lasse.
Die Klägerin beantragt,
1. das Auskunftsersuchen vom 27. März 2003 (eingeschränkt mit Schreiben vom 13. Juni 2003) zur Vorlage der Aktionärsverzeichnisse, die den Jahreshauptversammlungen in den Jahren 1998 bis 2002 zu Grunde gelegen haben, und die Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2004 aufzuheben,
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen,
3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass sich die Verpflichtung zur Auskunft aus §§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2, 93 Abs. 1, Abs. 3, 97 AO ergebe. Die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO umfasse Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten. Die Angaben über die Höhe der Beteiligung eines Aktionärs an der Gesellschaft ermöglichten dem für die Besteuerung jeweils zuständigen Finanzamt gerade die Kontrolle, ob der betreffende Aktionär dort als Steuerpflichtiger erfasst sei und ob eventuelle Veräußerungsgewinne aus der wesentlichen Beteiligung einer ordnungsgemäßen Besteuerung gemäß § 17 Einkommensteuergesetz - EStG - unt...