vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslohn durch Zuwendung einer Maßnahme der allgemeinen Gesundheitsvorsorge – Möglichkeit der Aufteilung bei gemischter Veranlassung
Leitsatz (redaktionell)
- Die Zuwendung einer „Sensibilisierungswoche” zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes i. S. d. der §§ 20, 20 a SGB V, für die die Arbeitnehmer bei freigestellter Teilnahme Fahrtkosten und eigene Freizeit (Zeitguthaben, Urlaub) aufzuwenden haben, ist als Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils zu qualifizieren, der lediglich in dem in § 3 Nr. 34 EStG beschriebenen Umfang steuerfrei zu belassen ist.
- Die allgemeine Gesundheitsvorsorge liegt ungeachtet ihre betrieblichen Mitveranlassung zuvorderst im persönlichen Interesse der Arbeitnehmer.
- Eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse kommt nicht in Betracht, wenn die jeweiligen Veranlassungsbeiträge so ineinandergreifen, dass eine Trennung nicht möglich ist.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 34, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 42e; SGB V § 20; SGB § 20a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Teilnahme von Arbeitnehmern der Klägerin an einem einwöchigen Seminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil („Sensibilisierungswoche”) als Zuwendung mit Entlohnungscharakter zu qualifizieren ist. Gegenstand der Klage ist die Erteilung einer Anrufungsauskunft gem. § 42 e des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 12.10.2010 den Beklagten um Auskunft über die lohnsteuerliche Behandlung eines Angebots im Rahmen eines „Demografieprojekts” ersucht. Bereits im Vorfeld des Auskunftsersuchens hatte es Besprechungen zwischen Vertretern der Klägerin und des Beklagten gegeben. Am 15.9.2010 waren Unterlagen unter der Bezeichnung „....... Das Gesundheitsprogramm der „A” GmbH” übergeben worden, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Die Klägerin, so heißt es in dem Auskunftsersuchen, habe in Zusammenarbeit mit der „B” AG hierzu ein Konzept entwickelt, das dazu dienen solle, die Beschäftigungsfähigkeit, die Leistungsfähigkeit und die Motivation der aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend alternden Belegschaft zu erhalten. Unter anderem werde ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil angeboten (sog. Sensibilisierungswoche). Das Angebot richte sich an sämtliche Mitarbeiter der Klägerin. Eine Verpflichtung zur Teilnahme sei zwar beabsichtigt, aber gegen den Konzernbetriebsrat nicht durchsetzbar gewesen. Bei einer zugesagten Teilnahme bestehe aber Anwesenheitspflicht unter Androhung von Sanktionen. Teilnehmer hatten vorab einen dies regelnden Vertrag zu unterzeichnen. Mit Schreiben vom 2.12.2010 hat die Klägerin ein Musterexemplar eines solchen Vertrages vorgelegt, auf das verwiesen wird. Die Kosten für die Teilnahme, die von der Klägerin auf ca. 1.300 Euro pro Mitarbeiter abzgl. zu erwartender Zuschüsse der Krankenkassen von bis zu 400 Euro beziffert wurden (Zusammensetzung: Übernachtungskosten für 6 Übernachtungen 204 Euro, Verpflegungskosten 330 Euro und Seminarkosten 766 Euro), hatte, mit Ausnahme der Fahrtkosten, die Klägerin zu tragen. Der jeweilige Mitarbeiter hatte für die Teilnahmewoche ein Zeitguthaben oder Urlaubstage aufwenden. Die Fortsetzung der Maßnahmen an den jeweiligen Beschäftigungsstandorten, so hieß es, sei vorgesehen. Hierfür sei dann vor Ort ein Koordinator zuständig. Die Firma „B” biete zudem in einem überregionalen Netzwerk Hilfestellung an.
Der Klageschrift war überdies ein Wochenprogramm beigefügt. Daraus ergibt sich, dass die Veranstaltung am Montag um 8.00 Uhr begann und am Freitag um 11.30 Uhr endete. Die Veranstaltungen dauerten jeweils mindestens bis zum späten Nachmittag. Wegen des Inhalts der Veranstaltungen im Einzelnen wird auf das Programm Bezug genommen. Auf einem angehängten Einzelblatt wurde ein „Haus der Arbeitsfähigkeit” vorgestellt, dessen Ausgangsebene mit „Gesundheit, körperl./psych. Leistungsfähigkeit” bezeichnet ist.
Die Klägerin meinte, bei einer steuerlichen Behandlung der kostenlosen Teilnahme als Arbeitslohn sei jedenfalls ein Betrag von 500 Euro nach § 3 Nr. 34 EStG i.V.m. §§ 20, 20 a des Sozialgesetzbuches (SGB) Teil V steuerfrei. Da jedoch die angebotene Maßnahme im ganz überwiegenden Interesse der Klägerin liege, fehle es bereits an dem Entlohnungscharakter, so dass die „Zuwendung” insgesamt nicht steuerbar sei. Das angebotene Seminar sei wie ein fachspezifisches Fortbildungsseminar zu behandeln.
(..)
Der Beklagte hat sich der Argumentation der Klägerin nicht angeschlossen und unter Hinweis auf die Rechtsprechung mit Bescheid vom 25.1.2011 eine für die Klägerin überwiegend negative Auskunft erteilt. Lediglich die Anwendung des § 3 Nr. 34 EStG komme in Betracht. In dem nachfolgenden Einspruchsverfahren hat die Klägeri...