Entscheidungsstichwort (Thema)
Durch „pflichtwidrig unterlassene” Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes außerhalb der Feststellungsfrist ermöglichter gesetzlicher Verlängerungstatbestand des § 35b Abs. 2 Satz 4 2. HS GewStG i. d. F. des JStG 2007; Geltung für die erstmalige Feststellung des Verlustes
Leitsatz (redaktionell)
Der eine „pflichtwidrig unterlassene” Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes außerhalb der Feststellungsfrist ermöglichende gesetzliche Verlängerungstatbestand des § 35b Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz GewStG i. d. F. des JStG 2007 gilt allein für die erstmalige Feststellung des Verlustes, nicht dagegen für die Änderung des zuvor schon anderweitig festgestellten Verlustes.
Normenkette
GewStG i.d.F. des JStG 2007 § 35b Abs. 2 S. 4; AO § 181 Abs. 5 AO
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Änderung der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes außerhalb der Feststellungsfrist erfolgt ist.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der „C-AG”, auf die sie zum 1. Januar 2003 verschmolzen wurde. Im Rahmen einer Betriebsprüfung –BP– bei der „C-AG” für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002 stellte das Finanzamt –FA– für Groß- und KonzernBP „N-Stadt” fest, dass der Bericht der Vor-BP nicht ausgewertet worden und daher eine Minderung der gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1999 von 41.425.791 DM auf 34.972.545 DM, mithin zum 31. Dezember 1999 um 3.299.492 EUR, unterblieben war. Auf entsprechenden Hinweis der BP holte das damals zuständige FA „N-Stadt” die Auswertung mit auf §§ 164 Abs. 2, 181 Abs. 5 der Abgabenordnung –AO– gestützten Änderungsbescheiden vom 18. März 2008 nach. Auf die Einsprüche der Klägerin hin führte der Beklagte an, dass die Änderung der Feststellung zwar nicht nach § 164 Abs. 2 AO, indes im Anschluss an die Änderung der Körperschaftsteuerbescheide 1995 bis 1999 möglich gewesen sei, und zwar innerhalb der noch laufenden Feststellungsfrist nach § 35b Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes –GewStG– i.V.m. § 181 Abs. 5 AO. Die Änderungsmöglichkeit sei auch nicht nach § 35b Abs. 2 Satz 4 GewStG i.d.F. JStG 2007 ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ende die Feststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum abgelaufen sei, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust gesondert festzustellen sei; § 181 Abs. 5 AO sei nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Verlustfeststellung pflichtwidrig unterlassen habe. Der Gesetzgeber habe hier nicht nur die erstmalige Feststellung des Verlustvortrags gemeint, sondern auch dessen Änderung. Dies ergebe sich schon aus dem gesetzessystematischen Zusammenhang; Satz 2 der Vorschrift regele nicht nur, wann Verlustfeststellungsbescheide zu erlassen seien, sondern ebenso, wann sie aufzuheben oder zu ändern seien. Mit der Bestimmung des § 35b Abs. 2 Satz 4 HS 2 GewStG solle, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, nur die Verwaltung vor späten Feststellungsanträgen geschützt werden, nicht aber der Steuerpflichtige vor sachgerechten Änderungen.
Mit der Klage hat die Klägerin sich zunächst gegen den Feststellungsbescheid auf den 31. Dezember 1995 gewandt und darüber hinaus die Feststellung begehrt, dass die Einspruchsentscheidung betreffend die Bescheide auf den 31. Dezember 1996 bis 31. Dezember 1999 bisher nicht wirksam bekannt gegeben sei. Auf den Einwand des Beklagten, dass die Einspruchsentscheidung, wie aus dem Tenor ersichtlich, nur den Bescheid auf den 31. Dezember 1995 betreffe, hat die Klägerin erklärt, damit sei ihr Feststellungsinteresse hinsichtlich der späteren Streitjahre nun entfallen. Der Antrag sei indes zunächst zulässig gewesen, weil die Gründe der Einspruchsentscheidung den gesamten streitigen Zeitraum umfasst hätten und der Beklagte auch zuvor alle Veranlagungszeiträume stets zusammengefasst behandelt habe.
In der Sache macht die Klägerin weiterhin geltend, die Änderung der Feststellung (auf den 31. Dezember 1995) sei außerhalb der Festsetzungsfrist erfolgt. § 35b Abs. 2 Satz 4 GewStG schließe die Anwendung von § 181 Abs. 5 AO aus, sofern nicht die Finanzbehörde die Feststellung des vortragsfähigen Verlustes pflichtwidrig unterlassen habe. Das sei hier nicht der Fall, weil im Zeitpunkt der streitigen Änderung eine (frühere anderweitige) Feststellung nicht „unterlassen” worden sei, sondern bereits vorgelegen habe. Eine (spätere) Änderung oder Aufhebung von Bescheiden werde im Gegensatz zur erstmaligen Feststellung von der Regelung nicht umfasst. Während nämlich Satz 2 der Regelung von „erlassen, aufheben oder ändern” spreche, erwähne Satz 4 HS 2 nur die „Feststellung”. Zudem habe der Gesetzgeber mit der Neufassung der §§ 10d EStG, 35b GewStG im JStG bezweckt, nach Ablauf der Feststellungsfrist nur noch die erstmalige Feststellung von Verlustvorträgen zu ermöglichen, wenn diese bisher trotz Abgabe der Steue...