vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruchsausschluss bei Mitgliedschaft in der polnischen Sozialversicherung
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch eines unbeschränkt steuerpflichtigen Erntehelfers mit Familienwohnsitz in Polen auf deutsches Kindergeld während einer viermonatigen nichtselbständige Tätigkeit im Inland wird durch das europäische Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen, wenn er als Landwirt in der polnischen Sozialversicherung für Landwirte sozialversichert ist und deshalb für das Arbeitsverhältnis vorrangig und ausschließlich polnisches Sozialversicherungsrecht gilt.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 1 Buchst. a, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Art. 14 a Nr. 1 Buchst. a
Streitjahr(e)
2004, 2005
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 18.09.2013; Aktenzeichen XI R 57/10) |
Tatbestand
Der Kläger, ein polnischer Staatsbürger, von Beruf Landwirt, hatte in den Zeiträumen 06.09. – 03.12.2004, 06.08. – 03.12.2005 bei der Fa. Gartenbau B in C gearbeitet. Für diese Tätigkeiten wurden –nach Angaben des Arbeitgebers deutsche Sozialversicherungsbeiträge entrichtet; ausweislich einer Bescheinigung des Finanzamts war der Kläger für 2004 und 2005 gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes –EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig veranlagt worden. Die Beklagte –die Familienkasse hatte dem Kläger antragsgemäß für die Monate seiner inländischen Tätigkeit Kindergeld für seinen Sohn D (geboren im Januar 2003) gewährt, und zwar unter Anrechnung der polnischen Familienleistungen, auf die die ab Dezember 2004 in Polen erwerbstätige Ehefrau des Klägers –nach Vermutung der Familienkasse einen Anspruch gehabt habe. Im Zeitraum 14.08. - 09.12.2006 hatte der Kläger erneut bei der Fa. Gartenbau B sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Die Familienkasse hatte dem Kläger antragsgemäß Kindergeld für den Sohn D und die Tochter E (geboren im April 2006) gewährt, und zwar unter Anrechnung der polnischen Familienleistungen, die seine erwerbstätige Ehefrau nachweislich erhalten hatte.
Vom 20.08. bis zum 07.12.2007 arbeitete der Kläger erneut als Saisonarbeitnehmer bei der Fa. Gartenbau B. Allerdings bescheinigte der Arbeitgeber nunmehr, dass ein Sozialversicherungsverhältnis zur deutschen Versicherungsanstalt nicht bestanden habe, sondern dass für das Arbeitsverhältnis polnisches Sozialversicherungsrecht gelte (Vorlage des Formulars E 101), so dass Sozialversicherungsbeiträge nach Polen abgeführt worden seien. Der Kläger beantragte erneut deutsches Kindergeld für seine beiden Kinder. Daneben legte er eine Besondere Lohnsteuerbescheinigung für 2007 vor, die u. a. einen Bruttoarbeitslohn von 7.625 EUR auswies. Die Familienkasse lehnte eine Kindergeldgewährung für den Zeitraum August bis Dezember 2007 ab, weil die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 EStG nicht erfüllt seien (Ablehnungsbescheid vom 1.04.2008).
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, er habe beim Finanzamt für 2007 eine Einkommensteuererklärung abgegeben und hierin die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 EStG beantragt; der Steuerbescheid werde nachgereicht. Aus der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ergebe sich der Anspruch auf deutsches Kindergeld. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Familienkasse führte aus, der Kläger unterliege –wie die dem Arbeitgeber vorgelegte Bescheinigung E 101 ausweise durchgehend dem polnischen Sozialversicherungssystem, so dass für ihn gemäß Art. 13 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (konsolidierte Fassung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – AblEG – Nr. L 28 vom 30.01.1997, S. 1) im Folgenden: VO Nr. 1408/71 ausschließlich die polnischen Rechtsvorschriften anzuwenden seien; hierunter falle auch der Anspruch auf Kindergeld. Die VO Nr. 1408/71 sei in Deutschland unmittelbar geltendes Recht und gehe den nationalen Bestimmungen vor. Demgemäß seien im Streitfall auf den Kläger ausschließlich die polnischen Vorschriften anwendbar, und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Höhe in Polen Kindergeld gewährt werde. Auch die Zahlung von Aufstockungsbeträgen zwischen einem niedrigeren ausländischen und dem höheren deutschen Kindergeld komme nicht in Betracht, weil deutsches Kindergeldrecht nicht anwendbar sei (Einspruchsentscheidung vom 03.07.2008).
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger. Nachdem das Gericht beantragte Prozesskostenhilfe versagt hat, hat der Kläger innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 56 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO Klage erhoben. Er ist der Ansicht, ihm stehe bereits gemäß Art. 73 der VO Nr. 1408/71 deutsches Kindergeld zu. Hiernach habe ein Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat (Deutschland) arbeitet, für seine Familienangehörigen, die in einem anderen Mitgliedstaat (Polen) wohnen, Anspr...