Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung bzgl. des Steuerabzugs bei Bauleistungen kann wegen der künftigen Gefährdung des Steueranspruchs versagt werden, wenn der Steuerpflichtige seinen ertragsteuerlichen Erklärungspflichten wiederholt nicht nachgekommen ist und nachhaltige Ertragsteuerrückstände bestehen. Die Vernachlässigung steuerlicher Pflichten in anderen Bereichen kann dabei als Indiz gewürdigt werden.
2. Der Rückgriff auf die Verletzung steuerlicher Pflichten vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe stellt keine unechte Rückwirkung i. S. tatbestandlicher Rückanknüpfung dar; es handelt sich lediglich um Beurteilungsgrundlagen für die Prognose der Finanzbehörde.
Normenkette
EStG § 48b Abs. 1 S. 1, § 48 b Abs. 1 S. 2; GG Art. 20 Abs. 3
Streitjahr(e)
2001, 2002
Tatbestand
Der Kläger betreibt ausweislich der Gewerbeanmeldungen ein Gewerbe für Holz- und Bautenschutz (Einstellung, Aufstellung von Regalen und Ladeneinrichtungen) und ist seit 1999 außerdem als Bodenleger tätig.
Mit Schreiben vom 22. November 2001 stellte der Kläger einen Antrag auf Erteilung der Freistellungsbescheinigung nach § 48 b Einkommensteuergesetz - EStG - für das Unternehmen „A”.
Mit Bescheid vom 26. November 2001 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen des § 48 b Abs. 1 EStG nicht vorlägen, weil Steueranmeldungen und Steuererklärungen nicht pünktlich abgegeben und angemeldete, festgesetzte und fällige Steuern nicht gezahlt worden seien.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 24. Dezember 2001, Eingang beim Beklagten am 21. Dezember 2001, ohne weitere Begründung Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2002 als unbegründet zurückwies.
Mit der am 12. März 2002 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Zur Begründung macht er geltend, der Hinweis darauf, dass er Steueranmeldungen und Steuererklärungen nicht pünktlich abgebe und fällige Steuern nicht zahle, rechtfertige nicht die Versagung einer Freistellungsbescheinigung. Das Bauabzugssteuergesetz dürfe nicht dazu missbraucht werden, Steuerschulden einzutreiben. Die Versagung einer solchen Bescheinigung komme dem Entzug einer Gewerbeerlaubnis gleich. Ziel des Bauabzugssteuergesetzes sei allein die Eindämmung illegaler Bautätigkeit. Ziel des Gesetzes sei nicht die Bekämpfung säumiger Steuerzahler. Die Versagung einer Freistellungsbescheinigung könne nur erfolgen, wenn die im Gesetz ausdrücklich geregelten Versagungsgründe vorlägen. Er habe im Falle der Versagung der Freistellungsbescheinigung mit erheblichen Einbußen zu rechnen. Seine Mitbewerber am Markt seien in der Lage, eine entsprechende Freistellungserklärung vorzulegen. Im Hinblick auf den im Falle einer Rechnungsabwicklung ohne Freistellungsbescheinigung verursachten Verwaltungsaufwand würden die Auftraggeber den Mitbewerber auswählen, welcher eine Freistellungsbescheinigung vorlegen könne, sodass er nachhaltig mit Auftragseinbußen rechnen müsse.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 26. November 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2002 den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 48 b EStG zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht er ergänzend geltend, der Kläger unterliege, was unstreitig sein dürfe, dem Anwendungsbereich der Vorschriften der §§ 48 bis 48 d EStG. In § 48 b Abs. 1 Satz 2 EStG sei exemplarisch („insbesondere”) eine Reihe von Fällen aufgelistet, in denen eine Gefährdung des zu sichernden Steueranspruchs in Betracht komme und folglich die gewünschte Freistellungsbescheinigung zu versagen sei.
Über jene im Gesetz ausdrücklich geregelten Versagungsgründe hinaus könne auch dann eine Gefährdung des zu sichernden Steueranspruchs vorliegen, wenn z. B. nachhaltig Steuerrückstände bestünden oder unzutreffende Angaben in Steueranmeldungen bzw. Steuererklärungen festgestellt würden oder der Leistende diese wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig abgebe. Entsprechendes ergebe sich aus Tz. 27 des Schreibens des Bundesministers für Finanzen - BMF - vom 01.11.2001 - IV A 5 - S 1900 - 292/01 (Bundessteuerblatt - BStBl - Teil I 2001, S. 804).
Vorliegend existierten im Zeitpunkt der Versagung der beantragten Freistellungsbescheinigung die in der beigefügten Anlage aufgeführten Steuerrückstände. Diese festzustellenden unbeglichenen Abgaben seien nicht unerheblich. Dies ergebe sich bei einem Vergleich mit den Gewinnen der Jahre 1991 bis 1998, die sich auf
1991 |
17.709 DM |
1992 |
65.036 DM |
1993 |
16.518 DM |
1994 |
3.839 DM |
1995 |
./. 26.064 DM (lt. Erklärung ./. 27.369 DM) |
1996 |
55.30 DM (lt. Erklärung 51.758 DM) |
1997 |
30.697 DM (lt. Erklärung 29.006 DM) |
1998 |
62.759 DM |
beliefen. Die Rückstände machten immerhin weit mehr als den durchschnittlichen Gewinn eines Jahres (28.265 DM) aus. Zudem sei...