Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten einer GmbH Steuerberatungsgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
- Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG für die Gestattung der Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten liegen bei einer Steuerberatungs-GmbH nicht vor, da ihre Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt.
- Der an die Bilanzierungspflicht anknüpfende Ausschluss inländischer Steuerberatungsgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft von der Ist-Besteuerung verstößt weder gegen den Gleichheitssatz, das Gebot der Rechtsformneutralität, die sog. negative Vereinigungsfreiheit, die Berufsausübungsfreiheit oder das Übermaßverbot noch gegen Europarecht.
Normenkette
UStG § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; EStG § 4 Abs. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, § 49 Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3, Art. 20; RL (EWG) 77/388 Art. 10 Abs. 2
Streitjahr(e)
2008
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin beanspruchen kann, ihre Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) berechnen zu dürfen.
Die Klägerin ist eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Steuerberatungsgesellschaft. Sie beantragte am 19.01.2004, ab dem Veranlagungszeitraum 01/2004 die Versteuerung ihrer Umsätze gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz UStG nach vereinnahmten Entgelten vornehmen zu können. Mit Schreiben vom 26.01.2004 lehnte das Finanzamt den Antrag ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch ist erfolglos geblieben (vgl. Einspruchsentscheidung vom 28.02.2005). Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben.
Nach Auffassung der Klägerin sei ihr eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) zu gewähren. Ab dem 01.07.2001 sei § 3 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes – StBerG – dergestalt geändert worden, dass nunmehr auch ausländische Steuerberatungsgesellschaften im Inland steuerberatend tätig sein dürften. Hierdurch entstehe eine verfassungswidrige und dem EU-Recht entgegenstehende Ungleichbehandlung zwischen Kapitalgesellschaften, je nachdem, ob die Kapitalgesellschaft im Inland oder im EU-Ausland ansässig sei.
Die diesbezügliche Neuregelung des Steuerberatungsgesetzes habe der Bundesfinanzhof BFH in seinem Urteil vom 22.07.1999 (V R 51/98, Bundessteuerblatt – BStBl- II 1999, 630), auf das der Beklagte seine Auffassung stütze, nicht berücksichtigen können.
Obwohl sich die wirtschaftliche Tätigkeit einer inländischen und einer ausländischen Steuerberatungsgesellschaft nicht unterschieden, entstehe bei der inländischen Steuerberatungsgesellschaft die Steuer bereits im Zeitpunkt der Dienstleistung, bei der ausländischen Steuerberatungsgesellschaft jedoch erst mit Zahlung durch den Mandanten.
Der Europäische Gerichtshof EuGH habe bereits mehrfach festgestellt, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer verbiete, Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirkten, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich zu behandeln (Hinweis auf Urteile vom 17.09.1999, C-216/97, Umsatzsteuer-Rundschau –UR- 1999, 419; vom 10.02.2002, C-141/00, UR 2002, 513).
Um die Neutralität der Umsatzsteuer zu gewähren, müsse allen auf dem Gebiet der freien Berufe Tätigen die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gewährt werden, unabhängig davon, ob ihre Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus freiberuflicher Tätigkeit erfasst würden.
Durch die Anwendung des „Soll"-Prinzips werde die Mehrwertsteuer für den Unternehmer zu einem Kostenfaktor, der den ertragssteuerlichen Gewinn verringere, Wettbewerbsverzerrungen bewirke und so gegen den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer verstoße. Die umsatzsteuerliche Belastung bei einer Dienstleistung müsse gleich sein, unabhängig davon, wo der jeweilige dienstleistende Unternehmer ansässig sei. Diese Gleichbehandlung erstrecke sich neben der Höhe der Steuerbelastung auch auf den Zeitpunkt der Erhebung der Steuer.
Nach dem Urteil des EuGH vom 03.05.2001 (C-481/98, UR 2001, 352) schließe der Grundsatz der steuerlichen Neutralität auch die Grundsätze der Einheitlichkeit der Mehrwertsteuer und der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen ein. Eine Wettbewerbsverzerrung sei vorliegend gegeben.
Die Auffassung des Beklagten führe zu einer – gegen das EU-Recht verstoßenden – (Inländer-)Diskriminierung der inländischen Kapitalgesellschaften, die nicht gerechtfertigt sei.
Es widerspreche dem Diskriminierungsverbot bzw. der Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art.12 i. V. m. Art. 43 EG-Vertrags, wenn die im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft auf Grund der isolierten Betrachtungsweise i. S. v. § 49 Abs. 2 EStG freiberufliche Einkünfte erziele und somit die Ist-Versteuerung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG wählen könne, wenn dies der inländischen Kapitalgesellschaft verweigert werde, da diese kraft Fiktion nur eine einheitliche gewerblich...