Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachliche Zuständigkeit für die Kindergeldfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
- Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit für die dem Bereich der Eingriffsverwaltung zuzurechnende Kindergeldfestsetzung bzw. deren Ablehnung bedarf es einer förmlichen, nach außen bekannt gemachten Zuständigkeitsregelung.
- Aus den aufgrund der Ermächtigung zur Benennung zentraler Ansprechpartner in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Satz 5 FVG ergangenen Organisationsakten der Bundesagentur für Arbeit (BA) ergibt sich – jedenfalls vor der Gründung des Zentralen Kindergeldservice (ZKGS) zum 01.02.2022 - für die Entscheidung über die Kindergeldfestsetzung für ein Kind mit Behinderung (als Person mit besonderem Schutzbedürfnis) keine die sachliche Zuständigkeit der regionalen Familienkassen abändernde Regelung zugunsten einer zentral zuständigen besonderen Dienststelle der BA.
Normenkette
EStG § 70 Abs. 1 S. 1; FVG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 Sätze 1-2, 4-5; AO § 6 Abs. 2 Nr. 6, §§ 16, 126 Abs. 1, §§ 127, 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b; GG Art. 20 Abs. 3
Streitjahr(e)
2021, 2022
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte für eine Entscheidung über den Kindergeldanspruch des Klägers für seinen Bruder Z (geboren am …) zuständig ist.
Z leidet mit einem Grad der Behinderung von 100 unter Trisomie 21. Er lebt im Wohnheim…in A-Stadt und arbeitet entsprechend seinen Möglichkeiten ...in B-Stadt - Kreis C-Stadt in A-Stadt .
Bis zu ihrem Versterben am 01.05.2021 bezog die Mutter (M) von Z und dem Kläger, für Z laufend Kindergeld (letzte Festsetzung mit Bescheid vom 04.05.2015). Frau M erhielt nach dem Versterben ihres Ehemanns und Vaters von Z und dem Kläger eine Pension, die sich aufgrund der aktiven Dienstzeit des Ehemanns bei der Stadt B ergab. Ihre Kindergeldangelegenheit wurde seit Januar 2020 von der Beklagten bearbeitet. Diese hielt bei der Erst-Speicherung der Kindergeldsache den Vermerk –Maschinelle Übernahme des Kindergeldfalls von der Familienkasse ...-Stadt B – fest und speicherte das Schutzkennzeichen „T - Behindertes Kind”.
Am 09.06.2021 beantragte der Kläger, der als Manager in der freien Wirtschaft tätig ist, gegenüber der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse B (nachfolgend Familienkasse B ) in eigenem Namen für Z ab Juni 2021 Kindergeld. Da die Familienkasse B die Beklagte (Familienkasse A) für die Bearbeitung des Kindergeldantrags zuständig hielt, wurde dieser an die Beklagte weitergleitet und von ihr mit Bescheid vom 01.07.2021 abgelehnt. Sie verwies darauf, dass der Kläger seinen Bruder niemals in seinen Haushalt aufgenommen habe.
Dagegen legte der Kläger bei der Beklagten Einspruch ein und monierte, dass die Beklagte ausschließlich auf eine Haushaltszugehörigkeit abgestellt habe. Sie habe, ohne weitere Auskünfte und Nachweise von ihm eingeholt zu haben, eine Prüfung eines Pflegekindschaftsverhältnisses i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Vorliegen einer Verbundenheit aufgrund eines familienähnlichen und auf Dauer berechneten Bandes unterlassen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 04.11.2021 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine räumliche Trennung stehe einer Haushaltsaufnahme zwar nicht entgegen. Die auswärtige Unterbringung dürfe jedoch nur von vorübergehender Natur sein. Davon könne im Allgemeinen ausgegangen werden, wenn das Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten regelmäßig in den Haushalt der Pflegeperson zurückkehre. Z sei jedoch nicht im Haushalt des Klägers. Er lebe durchgehend in einem Wohnheim. Das Wort durchgehend sei an dieser Stelle maßgeblich.
Dagegen hat der Kläger am 06.12.2021 Klage erhoben. Zur Begründung weist er auf die von ihm - auch schon vor dem Versterben der Mutter - übernommene tatsächliche Betreuung seines Bruders, insbesondere an den Wochenenden, hin. Zudem sei er bereits seit dem Jahr 1995 der gesetzliche Betreuer von Z . Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung Bezug genommen.
Aus welchem Grund die Familienkasse B davon ausgegangen sei, für seinen Kindergeldantrag unzuständig zu sein und diesen an die Beklagte übermittelt habe, entziehe sich seiner Kenntnis.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 01.07.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen zur Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht vorlägen bzw. nicht hinreichend dargetan und belegt worden seien. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.
Hinsichtlich ihrer Zuständigkeit trägt sie vor, dass der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Beschluss Nr. 23/2018 vom 20.09.2018 (Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit - ANBA -, Monatsheft Oktober 2018, veröffentlicht im Internet unter www.Statistik.Arbeitsagentur.de ≫Statistiken ≫Statistiken aktuell ≫Monatsbericht) gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Fi...