Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall des Kindergeldanspruchs nach Abschluss eines Erststudiums
Leitsatz (redaktionell)
- Für ein volljähriges Kind, das ein Erststudium mit dem Bachelor-Studium abgeschlossen hat und während seines Promotionsstudiums einer Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden nachgeht, kann kein Kindergeld gezahlt werden.
- § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG regelt als Unterausnahme zu Satz 2, dass die gesetzliche Vermutung des Wegfalls der Unterhaltsberechtigung nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung als widerlegt gilt, wenn das Kind weiterhin für einen Beruf ausgebildet wird und tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht.
- Die Neuregelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist verfassungsgemäß.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2-3; GG Art. 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
2012
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum von April bis Dezember 2012.
Der Kläger ist Vater eines Sohnes (geb. 20.03.1987). Nach der Schulzeit absolvierte der Sohn vom 01.08.2006 bis zum 30.04.2007 seinen Zivildienst. Anschließend absolvierte er bis zum 30.09.2010 ein Bachelorstudium und anschließend bis zum 26.03.2012 ein Masterstudium im Fach Chemie. Ab dem 01.04.2012 begann er ein Promotionsstudium. Gleichzeitig wurde er ab dem 01.04.2013 an einer Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten von 40,10 Stunden beschäftigt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Sohnes betrug daher 20,05 Stunden (20 Stunden 3 Minuten). Auf den in der Gerichtsakte befindlichen Arbeitsvertrag wird verwiesen.
Bis einschließlich 31.03.2012 wurde an den Kläger das Kindergeld für den Sohn gezahlt. Mit Schreiben vom 12.04.2012 beantragte der Kläger, ihm auch über den 31.03.2013 hinaus das Kindergeld für den Sohn zu zahlen. Zur Begründung führte er aus, nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – schließe eine Erwerbstätigkeit die Gewährung von Kindergeld nur dann aus, wenn eine erstmalige Berufsausbildung und ein Erststudium vorangegangen seien. Mit Bescheid vom 18.04.2012 lehnte die Beklagte – die Familienkasse des Landesamts für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen – den Antrag ab. Die Beklagte führte aus, dass nach Abschluss der ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums ein Kind nur dann berücksichtigt werde, wenn es keiner Beschäftigung mit mehr als 20 Wochenstunden nachgehe. Der vom Kläger dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 11.05.2012 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit seiner dagegen erhobenen Klage bringt der Kläger vor: Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG spreche vom „Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums”. Das Wort „und” bewirke, dass eine Erwerbstätigkeit nur schädlich sei, wenn das Kind kumulativ eine Berufsausbildung und ein Erststudium abgeschlossen habe. Dies sei bei seinem Sohn aber nicht der Fall. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG könne auch nicht im Auslegungsweg ein anderes Ergebnis erreicht werden. Bei der Wahl des Wortes „und” handele es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Sein Sohn habe die Arbeitszeit auch nicht individuell bestimmen oder beeinflussen können. In allen anderen Bundesländern außerhalb Bayerns liege die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bei einer halben Stelle für Angestellte im öffentlichen Dienst unter 20 Stunden. Für Kinder mit einer halben Stelle im Angestelltenverhältnis außerhalb Bayerns werde Kindergeld gezahlt. Er werde benachteiligt, weil sein Sohn seine Berufstätigkeit in Bayern ausübe, wo die hälftige tarifliche Arbeitszeit über 20 Stunden liege. Werde im Übrigen die Zeit der Berufstätigkeit auf alle zwölf Monate des Jahres 2012 verteilt, in denen der Grundtatbestand für die Kindergeldgewährung erfüllt sei, betrage die Arbeitszeit nur (20,05 Stunden x 39 Wochen = 781,95 Stunden / 52 Wochen =) 15,04 Stunden. Weiter sei eine Arbeitszeit von wöchentlich 20,05 Stunden nach den allgemeinen Rundungsregeln abzurunden und mithin 20,00 Stunden zugrunde zu legen. Zudem könnten sowohl in der Anlage Kind 2012 Zeile 27 als auch im Elster-Programm für die Einkommensteuer 2012 keine Eintragungen mit Dezimalstellen vorgenommen werden. Es müsse also bei nicht glatten Stundenzahlen zwingend gerundet werden. Ferner sei ungerecht, dass bei einem nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnis die zu leistende Stundenzahl aus dem Arbeitsvertrag leicht ermittelt werden könne. Bei einer forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit seien die Familienkassen ausschließlich auf die Angaben des Kindergeldberechtigten angewiesen. Schließlich sei die Neuregelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungswidrig, da die finanzielle Situation des Kindes und damit die aus der Unterhaltsleistung folgende Minderung der Leis...