Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzbesteuerung von Glücksspielen
Leitsatz (amtlich)
Trotz der dem EuGH-Urteil "Linneweber" folgenden Neufassung von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG bleibt die Umsatzbesteuerung von Spielgeräten ernstlich zweifelhaft vor dem Hintergrund, dass den Spielbanken die von ihnen nunmehr geschuldete Umsatzsteuer in den Bundesländern bei der jeweiligen Spielbankabgabe angerechnet wird.
Die landesrechtliche Erstattung der Umsatzsteuer verstößt gegen die Sperrwirkung des Bundesgesetzes und gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Verfälschung des Mehrwertsteuersystems.
Normenkette
GG Art. 20, 72 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2, 2a S. 1; UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b; FGO § 69; SpielbkG HA § 3 Abs. 1 S. 3; Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) Art. 135 Abs. 1 Buchst. f
Nachgehend
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten um die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteuer auf Erlöse aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit.
I.
Die Antragstellerin (Ast.) betreibt seit 8. Juli 2008 die gewerbliche Aufstellung von Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielstätten gemäß § 33 i Gewerbeordnung (GewO).
Für das Jahr 2008 erklärte sie in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen (Rechtsbehelfsakte --Rb-A-- Bl. 2-6 und Bl. 9) steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von insgesamt 278.398 € und steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 19 % in Höhe von insgesamt 6.827 €.
Mit dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 19. Januar 2009 (Rb-A Bl. 12) schätzte der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 320.000 €, was zu einer Zahllast von 52.740,77 € führte.
Hiergegen legte die Ast. am 30. Januar 2009 Einspruch ein (Rb-A Bl. 1), über den noch nicht entschieden ist. Am 18. Februar 2009 beantragte sie Aussetzung der Vollziehung (Rb-A Bl. 18). Mit Bescheid vom 25. Februar 2009 gewährte das FA nur Aussetzung mit Sicherheitsleistung (Rb-A Bl. 29). Mit dem vorliegenden Antrag verfolgt die Ast. ihr Ziel der Aussetzung ohne Sicherheitsleistung weiter.
II.
Gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) in der bis 5. Mai 2006 geltenden Fassung waren (neben unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätzen) die Umsätze zugelassener öffentlicher Spielbanken umsatzsteuerfrei. Im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 17. Februar 2005 (Rs. C-452/02 und C-462/02, "Linneweber", Slg. 2005, I-1131), mit dem der EuGH ausgeführt hat, dass der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in und außerhalb von Spielbanken umsatzsteuerlich nicht ungleich behandelt werden dürfe, wurde § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit Wirkung ab 6. Mai 2006 dahingehend geändert, dass nur noch unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallende Umsätze umsatzsteuerfrei sind.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Vorlagebeschluss vom 17. Dezember 2008 (XI R 79/07, BStBl II 2009, 434, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2009, 364) § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG erneut dem EuGH (dort: Rechtssache C-58/09, ABl EU 2009, Nr. C 113, 19) vorgelegt. Er möchte wissen, ob § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in seiner derzeitigen Fassung gegen Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie --MwStSystRL--) verstößt. Zweifel bestünden deswegen, weil nur 37,4 % der gesamten Glücksspielumsätze in Deutschland steuerbefreit seien, was mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Umsatzsteuerfreiheit von Glücksspielumsätzen kollidieren könnte.
Die Genehmigung und der Betrieb von Spielbanken sind in Deutschland durch Landesrecht geregelt. Die Spielbanken sind gemäß § 6 Abs. 1 der Verordnung über die öffentlichen Spielbanken vom 27. Juli 1938 von der Einkommensteuer, gemäß § 3 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) von der Gewerbesteuer sowie aufgrund der Spielbankgesetze der Länder von allen allgemeinen Landes- und Gemeindesteuern befreit. Stattdessen unterliegen sie der ebenfalls landesrechtlich geregelten Spielbankabgabe, einer Steuer, die gemäß Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 Grundgesetz (GG) den Ländern zusteht. Mithin unterliegen Spielbanken im Vergleich zu gewöhnlichen Gewerbetreibenden einem gänzlich anderen Steuerregime. Dabei soll die Spielbankabgabe zu einer der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerbelastung entsprechenden Besteuerung führen und zielt darüber hinaus darauf ab, die Gewinne der Spielbank möglichst weitgehend, wenn auch unter Belassung eines angemessenen Gewinns für den Unternehmer, zugunsten des Staates abzuschöpfen (BFH, Beschluss vom 29. März 2001 III B 79/00, BFH/NV 2001, 1244, Juris Rn. 29 f.). In allen Bundesländern wird dies dadurch umgesetzt, dass die Steuersätze der Spielbankabgabe sehr hoch sind (z. B. in Hamburg 70 % zuzüglich Sonderabgabe 20 %, insgesamt 90 %) und die Steuer nicht nach dem Gewinn des Betreibers, sondern nach den Bruttoerträgen (Spieleinsätze abzüglich Gewinne der Spieler) bemessen wird, so dass sich die Kosten des Spielbankbetreibers nicht Abgabe mindernd aus...