Entscheidungsstichwort (Thema)
Primärnachweis - Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung
Leitsatz (amtlich)
Eine nicht durchgeführte Vorortkontrolle kann Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Primärnachweises begründen.
Zur Frage, ob bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Rückforderung einer endgültig gewährten Ausfuhrerstattung AdV ohne oder mit Sicherheitsleistung zu gewähren ist.
Normenkette
FGO § 69; EWGV 3665/87 Art. 16, 18
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung eines Rückforderungs- und Sanktionsbescheides ohne Sicherheitsleistung.
Die Antragstellerin führte im Januar 1996 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 0000 in die Türkei aus. Für diese Erzeugnisse gewährte ihr der Antragsgegner antragsgemäß Ausfuhrerstattung in Höhe von insgesamt DM 726.162,76. Nachdem die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Rahmen einer Prüfung der Kontroll- und Überwachungsgesellschaft ... mbH - im Folgenden K - zu dem Ergebnis gelangt war, dass die von der Antragstellerin vorgelegte Bescheinigung über die Entladung und Überführung in den freien Verkehr des Bestimmungsdrittlandes nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 nicht auf einer Vorortkontrolle durch die K beruhte, sondern nachträglich ausgestellt wurde, forderte der Antragsgegner die der Antragstellerin gewährte Ausfuhrerstattung unter gleichzeitiger Festsetzung einer Sanktion in Höhe von DM 363.081,38 mit Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 zurück.
Den gegen den Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 gerichteten Einspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 15.7.2003 zurück. Die gegen die Einspruchsentscheidung vom 15.7.2003 am 15.8.2003 erhobene Klage ist beim Finanzgericht Hamburg unter dem Az. 4 K 209/03 anhängig.
In der Folgezeit setzte der Antragsgegner zunächst mit Bescheid vom 3.5.2006 - u.a. auch - die Vollziehung des Rückforderungs- und Sanktionsbescheides vom 23.2.2000 ohne Sicherheitsleistung aus; mit Bescheid vom 17.7.2006 widerrief der Antragsgegner sodann die der Antragstellerin gewährte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung und machte nunmehr die Aussetzung der Vollziehung von der Leistung einer Sicherheit abhängig; auf die Begründung des Bescheides vom 17.7.2006 wird Bezug genommen. Den von der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 17.7.2006 erhobenen Einspruch wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 20.9.2006 zurück.
Mit Schreiben vom 18.10.2006 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin sodann mit, dass er mit seiner Forderung aus dem Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 über insgesamt EUR 557.339,84 (einschließlich geltend gemachter Zinsen) gegen verschiedene, im einzelnen aufgelistete Forderungen der Antragstellerin in Höhe von insgesamt 597.463,46 aufrechne.
Die Antragstellerin hat am 20.10.2006 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie meint, der Antragsgegner sei nicht berechtigt gewesen, die ihr gewährte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu widerrufen. Der Antragsgegner habe mit Bescheid vom 3.5.2006 die Vollziehung des Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt. Die diesem Aussetzungsbescheid vom 3.5.2006 zugrunde liegende Sach- und Rechtslage habe sich in der Zwischenzeit nicht geändert. Der Antragsgegner gehe selbst davon aus, wie die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 20.9.2006 zeige, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 bestünden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Rückforderungs- und Sanktionsbescheid vom 23.2.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.7.2003 ohne Sicherheitsleistung aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er bezieht sich auf die Gründe der angegriffenen Bescheide.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 4 V 201/06 und 4 K 209/03 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Der gemäß § 69 Abs. 3 FGO zulässige Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung führt zum Erfolg.
Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 7 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Danach soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklar...