Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.11.2000; Aktenzeichen VI R 62/97)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Leistung von Kindergeld streitig.

Die Tochter J… (J.) des Klägers wurde am 25.8.1970 geboren. Ihr nach dem Abitur zunächst begonnenes Lehramtsstudium an der Universität Hamburg brach sie wegen schlechter Berufsaussichten ab. Nunmehr studiert sie – seit 1.4.1994 – Modedesign an der …. Sie befindet sich z.Zt. im 7. Semester. Das Studium dauert insgesamt 8 Semester. Die Studiengebühren betragen monatlich 620 DM.

Am 8.12.1995 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt Hamburg – Kindergeldkasse – mit Wirkung ab Januar 1996 Kindergeld. Mit Bescheid vom 20.12.1995 lehnte das Arbeitsamt den Antrag ab. Am 22.12.1995 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Mit der daraufhin am 9.9.1996 ergangenen Einspruchsentscheidung des Arbeitsamtes Hamburg – Familienkasse – (Beklagter) wurde der als Einspruch gewertete Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Der Beklagte führte im wesentlichen aus: Das Kind J. könne wegen eigener Einkünfte in Höhe von ca. 15.000 DM jährlich nicht berücksichtigt werden. Das Studiengeld könne nicht abgezogen werden, weil es sich nicht um Werbungskosten, sondern um Sonderausgaben handele.

Am 9.10.1996 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er im wesentlichen vorträgt:

Er, der Kläger, verlange keineswegs, daß die Studiengebühren bereits bei der Ermittlung der Einkünfte abzusetzen seien. Dies wäre in der Tat durch den Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Er verlange vielmehr, daß entsprechend dem Gesetz bestimmte Teile der Einkünfte seiner Tochter bei der Ermittlung ihres Verfügungsbetrages zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung außer Ansatz blieben. Von den Einkünften seien nämlich die Studiengebühren als besondere Ausbildungskosten von der Summe der Einkünfte abzuziehen. Gerade die seiner Tochter entstandenen Studiengebühren seien solche, die zu den besonderen Ausbildungszwecken gehörten. Es könne nicht darauf ankommen, ob Studiengebühren für ein Auslands- oder für ein Inlandsstudium gezahlt werden müßten.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20.12.1995 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 9.9.1996 den Beklagten zu verpflichten, für seine Tochter Jessica Kindergeld in Höhe von 200 DM monatlich ab 1. Januar 1996 und 220 DM monatlich ab 1. Januar 1997 festzusetzen.

Der Beklagte stellt keinen Antrag.

Stattdessen beantragt das Landesarbeitsamt Nord, Kiel,

die Klage abzuweisen.

Für den Beklagten trägt das Landesarbeitsamt Nord vor:

Der Rechtsauffassung des Klägers könne nicht gefolgt werden. Die Tochter des Klägers unterscheide sich mit ihrem Inlandsstudium in keiner Weise von den üblichen Studierenden. Die Verwendung von Einkunftsteilen für Studiengebühren, die im Inland anfallen, diene nicht besonderen Ausbildungszwecken. Lediglich bei einem Auslandsstudium entstehe solcher Sonderbedarf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten und wegen der formell-rechtlichen Fragen wird auf das Erörterungsprotokoll vom 17.4.1997 verwiesen.

Dem Senat hat die Kindergeldakte … vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet über die form- und fristgerecht erhobene Klage ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 a FGO durch Gerichtsbescheid.

I.

1. Die beklagte Familienkasse ist passiv legitimiert, obwohl das Arbeitsamt Hamburg als Unterbehörde der Bundesanstalt für Arbeit den begehrten Verwaltungsakt ablehnte. Denn aufgrund der nach Einlegung des (rechtzeitigen) Widerspruchs eingetretenen gesetzlichen Änderung der Zuständigkeitsregelung (§ 5 Nr. 11 FVG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995, BGBl I 1995, S. 1250) wurde nunmehr das Arbeitsamt Hamburg für das Verwaltungsverfahren in seiner Eigenschaft als Bundesfinanzbehörde (Familienkasse) zuständig. Zum einen steht in analoger Anwendung des § 63 Abs. 2 FGO die passive Prozeßführungsbefugnis der Behörde zu, der allein noch die entsprechende Verwaltungskompetenz zusteht (BFH Urteil vom 10.6.1992 I R 142/90, BStBl II 1992, 784). Zum anderen hat die ursprünglich tätige Behörde ihre Allzuständigkeit auf dem Gebiet des Kindergeldrechts verloren. Denn soweit Kindergeld ab 1. Januar 1996 als Steuervergütung festzusetzen ist, werden die Arbeitsämter (Familienkassen) seit diesem Zeitpunkt im Wege der Organleihe als Bundesfinanzbehörden kraft Gesetzes tätig; sie haben ihre Verwaltungskompetenz und damit ihre Fähigkeit, Pflichtsubjekt des öffentlichen Rechts im Verhältnis zu Kindergeldberechtigten zu sein, insoweit verloren (vgl. zur behördlichen Kompetenzänderung auch BFH Urteile vom 15.12.1971 I R 5/69, BStBl II 1972, 438, und vom 10.11.1977 V R 67/75, BStBl II 1978, 310).

Dementsprechend wertete der Beklagte den Widerspruch des Klägers zu Recht als Einspruch und entschied über den Rechtsbehelf gegen die noch nach den Vorschriften des SGB X erlassene Verwaltungsentscheidung nunmehr aufgrund der §§ 347 ff AO. Daß der Kläger seinerseits offenbar meinte, sein für die Zeit ab 1.1.1996 geltend gemachter ...

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