Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf vorläufige Steuerfestsetzung nach Änderung angefochtener Steuerbescheide

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 42 FGO in Verbindung mit § 351 AO steht einer Verpflichtungsklage, die auf die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 1 AO gerichtet ist, nicht entgegen. Zur Frage, ob ein Verfahren spruchreif ist, wenn in Folge einer Selbstbindung der Verwaltung eine sogenannte "Ermessenreduzierung auf Null" vorliegt.

 

Normenkette

AO § 165 Abs. 1, § 351 Abs. 1, § 363; FGO §§ 101-102

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.05.2003; Aktenzeichen XI R 21/02)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger nach vereinbarungsgemäßer Änderung angefochtener Steuerbescheide einen Anspruch auf vorläufige Steuerfestsetzung hinsichtlich anderer, bis dahin nicht streitiger Punkte haben.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt werden. Am 22.04.1998 erging erstmals ein ESt-Bescheid für 1996, der hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) und der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen (§ 12 EStG) einen Vorläufigkeitsvermerk trägt. Die ESt für 1997 wurde erstmals mit ESt-Bescheid vom 17.06.1999, der hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen (§ 12 EStG) und der Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG) vorläufig erging, festgesetzt. Nachdem die gegen beide Bescheide eingelegten Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 18.08.1999 bzw. 22.11.1999 zurückgewiesen worden waren, hatten die Kläger am 17.09.1999 (ESt 1997, Az.: II 639/99) und 08.12.1999 (ESt 1996, Az.: II 772/99) Klagen bei dem Finanzgericht erhoben, in denen die anzuerkennenden Werbungskosten für ein Arbeitszimmer und die Berücksichtigung eines Darlehens zwischen den klagenden Eheleuten streitig war. Im Rahmen eines für beide Verfahren am 15.09.2000 anberaumten Erörterungstermines sagte die Vertreterin des Beklagten zu, den Klagen in den beiden Streitpunkten weitgehend abzuhelfen. Die Beteiligten der damaligen Verfahren erklärten daraufhin in beiden Fällen den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Hinsichtlich der Einzelheiten der getroffenen Vereinbarung wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 15.9.2000 (Bl. 51-53 der Akte II 639/99) Bezug genommen.

Der Beklagte änderte daraufhin die ESt-Bescheide der Streitjahre entsprechend seiner Zusage mit Bescheiden vom 27.10.2000, die Steuerfestsetzung ist in beiden Bescheiden lediglich noch hinsichtlich der Anwendung des § 32 c EStG vorläufig. Die Kläger legten daraufhin am 14.11.2000 gegen die beiden geänderten ESt-Bescheide 1996 und 1997 Einsprüche ein, die sie damit begründeten, dass bei dem Bundesverfassungsgericht drei Verfahren zu Fragen der Rentenbesteuerung anhängig seien, die auch die Frage beträfen, ob die als Sonderausgaben geltend gemachten Ausgaben im vollem Umfang den Gesamtbetrag der Einkünfte minderten oder (wie nach der derzeitigen Rechtslage) nur beschränkt abgezogen werden könnten.

Die Kläger beantragten, die Einspruchsverfahren bis zur Klärung dieser Rechtsfrage auszusetzen und ruhen zu lassen und die angefochtenen Bescheide zu berichtigen. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 29.11.2000 die Kläger darauf hingewiesen hatte, dass die Einsprüche keine Aussicht auf Erfolg böten, da ein erneuter Einspruch gegen einen einer Zusage entsprechenden Änderungsbescheid unzulässig sei, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28.12.2000 die Einsprüche zurück.

Mit ihrer am 29.01.2001 erhobenen Klage begehren die Kläger die vorläufige Steuerfestsetzung, soweit Rentenversicherungsbeiträge nur begrenzt abzugsfähig seien. Die bei dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden (Az.: II B v R 2295/95, II B v L 7/95 und II B v L 17/99) beträfen die Rechtsfragen, inwieweit die unterschiedliche Behandlung zwischen Pensions- und Rentenempfängern verfassungswidrig sei und welche Änderungen der Gesetzgeber ggf. vornehmen müsse. Auf die Erledigung der vorangegangenen Anfechtungsverfahren könne sich der Beklagte nicht berufen, da es im Streitfall nicht um die sachliche Änderung und Festsetzung der ESt gehe, sondern um die Frage, inwieweit der Beklagte von Amts wegen verpflichtet sei, Steuerbescheide für vorläufig zu erklären, wenn bei dem Bundesverfassungsgericht Verfahren anhängig seien, die die Verfassungswidrigkeit von Steuerrechtsnormen zum Gegenstand hätten. Die entsprechende Verpflichtung des Beklagten ergebe sich im Streitfall aus § 165 Abs. I S. 2 Nr. 3 AO. Von dem Beschluss des BFH vom 23.1.2001 in der Sache XI R 17/00 hätten sie bei Abgabe der Erledigungserklärung keine Kenntnis gehabt, so dass sie seinerzeit die vorläufige Festsetzung der Einkommensteuern insoweit nicht hätten beantragen können.

Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verpflichten, die geänderten ESt-Bescheide 1996 und 1997, beide vom 27.10.2000, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28.12.2000 dahingehend abzuändern, dass die Fests...

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