Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Ausgleich nach § 174 AO bei unzutreffender Umsetzung der Wechselwirkung von KStG und GewStG
Leitsatz (amtlich)
Wenn das Finanzamt die nach dem gesetzlichen Modell mit § 8b Abs. 1 KStG sowie § 8 Nr. 5 GewStG i. V. m. § 9 Nr. 2a GewStG gewollte Wechselwirkung nicht zutreffend umsetzt, weil es entweder die Rechtslage verkennt oder aber den Sachverhalt falsch würdigt bzw. einschätzt, so kann dieser Fehler nicht über § 174 AO ausgeglichen werden.
Normenkette
AO §§ 129, 173-174; KStG § 8b Abs. 1; GewStG § 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Änderung der Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag 2010 und 2011.
Der Kläger war wenigstens seit 2009 an "A GmbH", seit 05.10.2010 firmierend "B GmbH, beteiligt (im Folgenden: GmbH). Nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten lag die Beteiligung bis zum 04.03.2009 bei weniger als 15 %, ab dem 04.03.2009 bis mindestens Ende 2011 bei 25,2 %. Im Handelsregister ist für die A GmbH allein die Gesellschafterliste vom 04.03.2009 und eine weitere Liste vom 26.03.2018 hinterlegt.
In den Gewerbesteuererklärungen der Jahre 2009 - 2011 befindet sich jeweils in der Zeile für die Hinzurechnungen gem. § 8 Nr. 5 GewStG keine Eintragung des Klägers.
Die Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2009 - 2011 enthalten jeweils eine Eintragung in der Zeile für Bezüge i. S. v. § 8b Abs. 1 KStG.
Auf dem Ausdruck der Probeberechnung für den Gewerbesteuermessbetrag 2009 findet sich als handschriftliche Anmerkung zu den Erläuterungen betr. die Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG die Bemerkung: "Anteil an A GmbH ≪ 15 %".
Bei den Bescheiden über den Gewerbesteuermessbetrag des Jahres 2009 ebenso wie bei den entsprechenden Bescheiden für 2010 vom 13.06.2012 und für 2011 vom 26.02.2013 nahm der Beklagte eine Hinzurechnung vor, und zwar in Höhe von 14.362 € für 2010 und in Höhe von 11.969 € für 2011. Die ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen, der prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltsgesellschaft (Vollmacht nebst Zustellungsvollmacht vom 10.02.2006) bekannt gegebenen Bescheide enthalten jeweils die Erläuterung "Gemäß § 8 Nr. 5 GewStG ist eine Hinzurechnung für die nach § 8b Abs.1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) in Höhe von ... vorzunehmen.
Mit Schriftsatz vom 03.04.2013 beantragte der Kläger die Änderung der Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2010 und 2011 gem. § 129 AO. Er bezog sich auf eine telefonische Auskunft des Beklagten, wonach dem Ansatz der Beteiligungshöhe unter 15 % eine Überprüfung im Rahmen der Veranlagung 2009 zugrunde gelegen habe. Dies widerspreche jedoch dem Anstieg der Beteiligungshöhe im Jahr 2009 auf 25,2 %.
Mit Bescheid vom 17.04.2013 lehnte der Beklagte den Änderungsantrag ab. Die Unrichtigkeit der Bescheide beruhe nicht auf einem mechanischen Fehler, sondern auf unterlassener Sachverhaltsaufklärung, sodass eine offenbare Unrichtigkeit i. S. v. § 129 AO nicht vorliege. In Zukunft werde darauf geachtet werden, ob § 8 Nr. 5 GewStG Anwendung finde.
Den am 06.05.2013 eingelegten Einspruch, den der Kläger zusätzlich mit Hinweis auf Sinn und Zweck des § 9 Nr. 2a GewStG auf § 174 AO stützte, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 18.04.2016 als unbegründet zurück. Die Berücksichtigung eines bestimmten Betrages in mehreren Bescheiden stelle keinen bestimmten Sachverhalt i. S. v. § 174 AO dar. Zudem sei eine mehrfache Erfassung nach materiellem Recht nicht zwingend ausgeschlossen.
Am 21.05.2016 hat der Kläger Klage erhoben.
Eine Anfrage des Gerichts, welche Ermittlungen oder Erkenntnisquellen dem handschriftlichen Zusatz auf der Probeberechnung für den Gewerbesteuermessbetrag 2009 zugrunde gelegen haben, vermochte der Beklagte nicht zu beantworten.
Der Kläger trägt vor:
Die Voraussetzungen des § 129 AO lägen vor. Es handele sich um die lediglich technische Übernahme eines zwischenzeitlich unzutreffend gewordenen Beteiligungssatzes aus den Vorjahren. Eine neue rechtliche oder tatsächliche Subsumtion sei nicht durchgeführt worden. Die Unrichtigkeit sei der Dienststelle bekannt und für den Beklagten daher erkennbar gewesen, da die ausschüttende Körperschaft in demselben Bezirk wie der Kläger veranlagt werde.
Zusätzlich greife auch § 174 Abs. 1 AO. Derselbe Sachverhalt, nämlich rechtlich ein Gewerbeertrag, werde doppelt der Gewerbebesteuerung unterworfen. Nach der Wertung des § 9 Nr. 2a GewStG sei ein Gewerbeertrag, der bereits bei der ausschüttenden Körperschaft der Gewerbebesteuerung unterworfen wurde, bei dem Dividendenempfänger nicht erneut zu besteuern. Die Nichtanwendung des § 174 AO verstoße gegen den Gleichheitssatz.
Sollte es sich bei der zutreffenden Beteiligungshöhe doch um eine dem Beklagten erst nachträglich bekannt gewordene Tatsache handeln, ergebe sich die Änderungsmöglichkeit jedenfalls aus § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, da den Kläger kein Verschulden daran treffe, dass der Sachbearbeiter die Überprüfung frei zugänglicher Grundlagen unterlassen habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid für 2010 über...