Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalertragsteuererstattung bei Gewinnausschüttungen an eine "société par actions simplifiée"
Leitsatz (redaktionell)
Dem Europäischen Gerichtshof werden gemäß Art. 234 Abs. 2 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 2 Buchst. a) i.V.m. dem Anhang Buchst. f) der Mutter-Tochter-Richtlinie dahingehend auszulegen, dass auch eine französische Gesellschaft in der Rechtsform einer "société par actions simplifiée" bereits in den Jahren vor 2005 als "Gesellschaft eines Mitgliedstaats" im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden kann und ihr somit für einen von ihrer deutschen Tochtergesellschaft im Jahr 1999 ausgeschütteten Gewinn nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie die Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle zu gewähren ist?
2. Für den Fall, dass die Frage 1. zu verneinen ist:
Verstößt Art. 2 Buchst. a) i.V.m. dem Anhang Buchst. f) der Mutter-Tochter-Richtlinie insoweit gegen Art. 43 EG und Art. 48 EG oder Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG als er in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie zwar für eine französische Muttergesellschaft in der Rechtsform einer "société anonyme", "société en commandite par actions" oder "société à responsabilité limitée", nicht aber für eine französische Muttergesellschaft in der Rechtsform einer "société par actions simplifiée" bei Gewinnausschüttungen einer deutschen Tochtergesellschaft eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle vorschreibt?
Normenkette
Mutter-Tochter-Richtlinie Art. 5 Abs. 1, Art. 43, 48, 56 Abs. 1, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3; Mutter-Tochter-Richtlinie Anhang Buchst. f; EG-Vertrag § 234 Abs. 2; Mutter-Tochter-Richtlinie Art. 2 Buchst. a
Nachgehend
Tatbestand
A.
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für eine im Jahr 1999 erfolgte Gewinnausschüttung ihrer Tochtergesellschaft die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer beanspruchen kann.
Die Klägerin ist eine in Frankreich ansässige Kapitalgesellschaft. Bis zum Jahr 2002 war sie eine Gesellschaft in der Rechtsform einer „société par actions simplifiée” (S.A.S.). Seit 2002 ist sie eine „société anonyme”. Sie ist alleinige Anteilseignerin der G-GmbH mit Sitz in A (im Folgenden: G-GmbH).
Aufgrund eines Bescheids vom 28. Dezember 1998 des Bundesamts für Finanzen – BfF – (seit dem 01.01.2006 Bundeszentralamt für Steuern – BZSt –) war die G-GmbH berechtigt, den Steuerabzug für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – i.H.v. 5 % vorzunehmen.
Am 16. Juni 1999 schüttete die G-GmbH einen Gewinn i.H.v. 980.387,00 DM an die Klägerin aus. Von dieser Gewinnausschüttung behielt die G-GmbH Kapitalertragsteuer i.H.v. 49.019,35 DM sowie einen Solidaritätszuschlag i.H.v. 2.696,06 DM ein und führte die Steuerabzugsbeträge an das zuständige Finanzamt ab.
II.
Am 16. August 1999 stellte die Klägerin beim BfF einen Antrag auf Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer inkl. Solidaritätszuschlag i.H.v. 51.715,41 DM.
Mit Bescheid vom 6. September 1999 lehnte das BfF die beantragte Erstattung ab. Zur Begründung verwies das BfF darauf, dass eine Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer nicht möglich sei, da die Klägerin keine Muttergesellschaft i.S.d. § 44d Abs. 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung – EStG 1999 – i.V.m. Art. 2 der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – Abl. EG – Nr. L 225, 6, im Folgenden: Richtlinie 90/435/EWG) sei. Die Rechtsform der „société par actions simplifiée” sei in der Liste der unter Art. 2 Buchst. a) der Richtlinie 90/435/EWG fallenden Gesellschaften nicht genannt. Die Aufzählung der Rechtsformen sei abschließend.
Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos. Durch Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2002 wies das BfF den Einspruch als unbegründet zurück.
III.
Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie Folgendes vor:
Sie, die Klägerin, unterfalle auch mit ihrer früheren Rechtsform Art. 2 Buchst. a) i.V.m. Buchst. f) des Anhangs der Richtlinie 90/435/EWG, da sie auch im maßgeblichen Jahr 1999 eine „société anonyme” im Sinne der Richtlinie gewesen sei. Nach Art. 2 Buchst. a) der Richtlinie 90/435/EWG sei „Gesellschaft eines Mitgliedstaats” u.a. jede Gesellschaft, die im Anhang der Richtlinie aufgeführt sei. Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung im Rahmen der Auflistung sei dabei nicht, ob der Namenszusatz bzw. das Namenskürzel, das die Gesellschaft zu führen habe, im Anhang benannt sei. Entscheidend sei vielmehr, ob die Gesellschaft in einer der dort genannten Rechtsformen organisiert sei. Gemäß Buchstabe f) des Anhangs seien Gesellschaften französischen Rechts, die in der Rechtsform der „société anonyme”, d.h. der Aktiengesellschaft, organisi...