Entscheidungsstichwort (Thema)
Abhängigkeit der Gewährung des Splittingtarifs bei Grenzpendlern von der Einhaltung bestimmter Grenzwerte gemeinschaftswidrig
Leitsatz (amtlich)
Dem EuGH wird gemäß Art. 177 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Verstößt es gegen Art. 48 EGV, dass nach § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG ein niederländischer Staatsangehöriger, der in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, ohne im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu haben ebenso wie sein von ihm nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte, der ebenfalls im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat und Einkünfte im Ausland erzielt, deswegen für die Anwendung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (hier: Zusammenveranlagung) nicht als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, weil die gemeinsamen Einkünfte der Ehegatten im Kalenderjahr nicht mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen bzw. die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte mehr als 24 000 DM betragen?
(Aktenzeichen beim EuGH: C-391/97)
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3 S. 2, § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 26 Abs. 1 S. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 4; EGVtr Art. 48, 177 (jetzt Art. 234 EG)
Tatbestand
I.
Der Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger. Er wohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem im Jahre … geborenen Sohn im niederländischen Grenzort … In den Streitjahren pendelte der Kläger arbeitstäglich von seinem niederländischen Wohnsitz zu seinem deutschen Arbeitgeber in … Dort arbeitete er als … und bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Seine Ehefrau war in den Streitjahren als … in den Niederlanden beschäftigt. Die Eheleute hatten in den Streitjahren folgende Einkünfte:
|
… |
|
… |
|
|
DM |
|
DM |
|
Bruttoarbeitslohn … |
… |
|
… |
|
Werbungskosten |
… |
|
… |
|
In Deutschland stpfl. Arbeitseinkünfte |
… |
58,38 |
… |
58,32 |
|
|
|
|
|
Bruttoarbeitslohn Ehefrau (umgerechnet) |
… |
|
… |
|
Werbungskostenpauschale |
… |
|
… |
|
|
… |
|
… |
|
In den IIL stpfl. Arbeitseinkünfte |
… |
41,62 |
… |
41,68 |
|
… |
… |
… |
… |
|
… |
100,00 |
… |
100,00 |
Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Gesetzesänderung im Jahressteuergesetz 1996, in dem die EuGH-Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von beschränkt Steuerpflichtigen (vgl. Urteil des EuGH vom 14.2.1995, Rs. C-279/93, FA Köln-Altstadt/Roland Schumacker, DStR 1995, 326) umgesetzt wurde, veranlagte der Beklagte gemäß § 1 Abs. 3 EStG den Kläger wie einen Nichtverheirateten, weil auch nach neuem Recht, welches rückwirkend für alle noch offenen Fälle vor 1996 angewendet werden konnte, die Voraussetzungen einer Zusammenveranlagung auf der Grundlage der §§ 1 Abs. 3 und 1 a EStG n. F. nicht erfüllt waren: Die in den Niederlanden steuerpflichtigen Einkünfte der Ehegattin überstiegen sowohl die absolute Bagatellgrenze von 24.000 DM pro Jahr wie auch die Unschädlichkeitsquote von 10 des nach deutschen Steuernormen ermittelten Gesamtbetrags der Einkünfte.
Das Finanzamt stellte mit Bescheid für … vom … und für … vom … die Steuern wie folgt fest:
|
… |
… |
|
DM |
DM |
Bruttoarbeitslohn … |
… |
… |
Werbungskosten |
… |
|
… |
… |
Einkünfte = Gesamtbetrag der Einkünfte |
… |
… |
Ausbildungs-/Weiterbildungskosten |
… |
… |
Abzugs fähige Vorsorgeaufwendungen Kinderfreibetrag |
… |
… |
Kinderfreibetrag |
|
… |
|
… |
… |
Einkommen/zu versteuerndes Einkommen |
… |
… |
Einkommensteuer nach der Grundtabelle |
… |
… |
Gegen die Einkommensteuerbescheide … und … legte der Kläger Einspruch ein, weil er die Ansicht vertrat, daß die geltende Rechtslage nicht in Einklang mit dem höheren Gemeinschaftsrecht stehe. Die Verweigerung des Splittingtarifs für verheiratete Gemeinschaftsbürger, die in einem anderen EG-Staat ansässig seien und inländische Einkünfte beziehen, sei gemeinschaftswidrig. Seiner Meinung nach verstießen die Normen des Einkommensteuergesetzes (§§ 1 Abs. 3, 1 a EStG) gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV und das Freizügigkeitsverbot der Art. 48 ff. EGV. Die Einsprüche wurden vom Beklagten als unbegründet zurückgewiesen, da der Wortlaut des Gesetzes einer Zusammenveranlagung entgegenstehe.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren – Besteuerung nach dem Splittingtarif – weiter. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Zur Begründung führt der Kläger weiter aus:
Wenn der deutsche Gesetzgeber die Gewährung des Splittingtarifs bei Grenzpendlern nicht von der Einhaltung bestimmter Grenzwerte abhängig gemacht hätte, hätte sich folgende Steuerbelastung ergeben (PGV = Progressionsvorbehalt):
|
… |
… |
|
DM |
DM |
Bruttoarbeitslohn … |
… |
… |
Werbungskosten |
… |
… |
|
… |
… |
Einkünfte = Gesamtbetrag der Einkünfte |
… |
… |
Ausbildungs-/Weiterbildungskosten |
… |
… |
Abzugsfähige Vorsorge auf Wendungen |
… |
… |
Kinderfreibetrag |
|
… |
|
… |
… |
Einkommen/zu versteuerndes Einkommen |
… |
… |
Für PGV zu berücksichtigende NL-Einkünfte |
… |
… |
ESt-Steuersatz mit PGV und Splitting |
… |
… |
zu verst. Einkommen … |
… |
… |
ESt mit PGV nach Splittingtarif |
… |
… |
Veranlagte Einkommensteuer |
… |
… |
Mehrbelastung gegenüber Inländer |
… |
… |
Die daraus resultierende Mehrbelastung i.H.v. … DM sei im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Geme...