Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung der Kapitalabfindung aus einem Altersvorsorgevertrag
Leitsatz (redaktionell)
Die Abfindung einer Kleinbetragsrente ist keine schädliche Verwendung i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG, mit der Folge, dass die gewährten Zulagen nicht zurückzuzahlen sind. Insoweit besteht auch keine Veranlassung, entsprechende Beträge aus der Auszahlung des Altersvorsorgevertrags von der Besteuerung auszunehmen.
Normenkette
EStG §§ 93, 22 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht die von der am 30.03.1950 geborenen Klägerin im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2015 nicht angegebene Auszahlung aus einem Altersvorsorgevertrag der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt hat.
Die Klägerin hatte am 17.12.2003 mit der B-Bank einen zertifizierten Sparvertrag (Altersvorsorgevertrag) nach den Vorschriften des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes abgeschlossen. Im Vertrag wurde festgestellt dass der Sparvertrag im Rahmen des § 10 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich förderungsfähig ist.
Nach den Sonderbedingungen für einen Altersvorsorgevertrag (Textziffer 4.2) sollte die Bank den Sparer bis spätestens sechs Monate vor Vollendung seines 60. Lebensjahres auffordern mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt er in die Auszahlungsphase eintreten möchte.
Mit Vertrag vom 02.10.2014 vereinbarte die Klägerin mit der Bank, dass die Auszahlungsphase am 01.01.2015 beginnen solle. Das bis zum Beginn der Auszahlungsphase angesparte Guthaben werde vollständig für die Auszahlungsphase verwendet.
Nach erfolgter Auszahlung an die Klägerin informierte die B-Bank das beklagte Finanzamt über eine „steuerpflichtige” Auszahlung i.H.v. 8.877,97 € (steuerpflichtig gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG) sowie i.H.v. 51,88 € (steuerpflichtig gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2 c EStG). Die Klägerin war von der Bank ebenfalls entsprechend informiert worden. Es erfolgte der Hinweis, dass die bescheinigten Leistungen in vollem Umfang der Besteuerung unterlägen.
Der Beklagte berücksichtigte die mitgeteilten Beträge im Rahmen des Einkommensteuerbescheides 2015 vom 16.08.2016.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch.
Zur Begründung verwies sie auf die Vorschrift des § 93 Abs. 3 EStG. Danach sei die Abfindung einer kleinen Rente begünstigt. Diese werde als steuerunschädlich fingiert. Die Kapitalauszahlung werde so behandelt, als ob Zulagen und festgestellte Beträge zurückbezahlt worden seien. Dies habe zur Folge, dass nicht § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG anwendbar sei, sondern allenfalls Satz 3 i.V.m. Satz 2 c dieser Vorschrift.
Die Versteuerung nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG hätte zur Folge, dass die schädliche Verwendung im Sinne des § 93 Abs. 1 EStG bei Kapitalisierung von kleinen Renten günstiger wäre als die unschädliche Verwendung nach § 93 Abs. 3 EStG. Bei schädlicher Verwendung seien die Zulagen und die nach § 10 a Abs. 4 EStG gesondert festgestellten Beträge zurückzuzahlen und nach § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG hinsichtlich der Auszahlung ein verbleibender Wertzuwachs gegenüber den geleisteten Beiträgen mit dem halben Steuersatz zu versteuern. Diese Summe sei jedoch im Regelfall bei einer kleinen Rente niedriger als die Steuer, die entstehe, wenn die Abfindung dem progressiven Steuertarif unterworfen werde.
Der Beklagte verwies auf die allein maßgebliche Vorschrift des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG und die danach notwendige Besteuerung. § 34 Abs. 2 EStG greife nicht, da kein Ersatz für entgangene Einnahmen gewährt, vielmehr eine Rente in einer Summe ausgezahlt worden sei. Durch Entscheidung vom 03.11.2016 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage, die sie wie folgt begründet:
Wegen Arbeitslosigkeit habe sie ab 2010 eine vorgezogene Altersrente bezogen. Im Jahr 2014 habe sie sich bei der B-Bank nach der Höhe einer voraussichtlichen monatlichen Zahlung aus dem in 2003 abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag erkundigt, was dahingehend beantwortet worden sei, dass eine förderunschädliche Kleinrente vorliege und eine monatliche Auszahlungsrate von 26 € erfolgen könne. Daraufhin habe sie, die Klägerin, die Auszahlung des aufgelaufenen Kapitals beantragt. Die Auszahlung sei am 02.01.2015 erfolgt.
Dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum Alterseinkünftegesetz vom 24.07.2013 (BStBl I 2013, 1022) sei zur Versteuerung einer Kleinrentenabfindung nichts zu entnehmen. Aus dem Schreiben des BMF ergebe sich im Gegenteil aus Rz. 423, dass die als nicht schädlich eingeordnete Verwendung im Sinne des § 93 Abs. 1 a EStG eine steuerunschädliche Übertragung sei, die nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führe. Es sei nicht einsichtig, weswegen gleiche gesetzliche Formulierungen in einem Paragrafen unterschiedlich ausgelegt werden sollten. Eine strikte Trennung zwischen § 93 und § 22 EStG existiere nicht, zumal § 22 Nr. 5 EStG ausdrücklich auf § 93 EStG Bezug nehme.
Mit der Fingierung der Abfindung der K...