Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit des in glaubensverschiedener Ehe erhobenen besonderen Kirchgeldes in NW
Leitsatz (redaktionell)
1) Das von einem Ehegatten mit geringem Einkommen erhobene besondere Kirchgeld, das mit Rücksicht auf ein erheblich höheres Einkommen des anderen, nicht kirchenangehörigen Ehegatten mitunter in weitaus größerem Betrag als den eigenen Einkünften bemessen wird, ist verfassungs(rechtlich) nicht zu beanstanden.
2) Die typisierende Regelung, das besondere Kirchgeld nach dem gemeinsamen, viel höheren Einkommen beider Ehegatten zu bemessen, ist verfassungsrechtlich zulässig.
3) Das aufgrund der nordrhein-westfälischen Kirchensteuerordnung der Evangelischen Kirche gestaffelte besondere Kirchgeld bleibt in seiner Höhe unter der Hälfte des Kirchensteuerbetrages zurück, der zu zahlen wäre, wenn beide Ehegatten einer Kirche angehören würden. Daher wird der nicht kirchenangehörige Ehegatte tatsächlich nicht zum Kirchgeld herangezogen.
4) Die Verhältnisse dauernd getrennt lebender Ehegatten in glaubensverschiedener Ehe und in einem Haushalt lebender glaubensverschiedener Ehegatten sind wirtschaftlich gesehen nicht vergleichbar, und somit ist auch keine Gleichbehandlung dieser beiden Fälle erforderlich.
5) Dass das besondere Kirchgeld in Nichtveranlagungsfällen nicht erhoben wird, beruht auf rechtmäßiger, abgeltender Typisierung des Lohnsteuerverfahrens und begründet kein verfassungsrechtlich relevantes Vollzugsdefizit.
Normenkette
Kirchensteuerordnung NW Ev § 6 Abs. 1 Nr. 5; KiStG (NW) § 4 Abs. 1 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verfassungsgemässheit des besonderen Kirchgeldes.
Die Klägerin gehörte im Streitjahr (2001) der evangelischen Kirche an. Sie wurde mit ihrem Ehemann, der keiner Kirche angehörte (sog. glaubensverschiedene Ehe), zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin bezog im Streitjahr Einkünfte in Höhe von 21.995,– DM, ihr Ehemann in Höhe von 98.438,– DM. Das gemeinsame zu versteuernde Einkommen betrug 109.477,– DM.
Mit Bescheid vom … über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer setzte das Finanzamt … für die Klägerin besonderes Kirchgeld in Höhe von 540,– DM fest. Aus den Berechnungen im Steuerbescheid ergibt sich, dass das besondere Kirchgeld mit der auf die Einkünfte der Klägerin entfallenden Zuschlags-Kirchensteuer in Höhe von 124,11 DM verglichen und das besondere Kirchgeld als höherer Betrag festgesetzt wurde.
Der gegen die Festsetzung des Kirchgeldes eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom …).
Mit der danach erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der Kirchgeldfestsetzung in Höhe des die Zuschlags-Kirchensteuer übersteigenden Betrages.
Die Erhebung des besonderen Kirchgeldes sei mangels gültiger Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Der auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 der Kirchensteuerordnung (KiStO) ergangene Kirchensteuerbeschluss, in dem Bemessungsgrundlage und Höhe des besonderen Kirchgeldes festgesetzt seien, sei wegen Verstosses gegen höherrangiges Verfassungsrecht nichtig.
Zunächst sei ein Verstoss gegen Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) festzustellen. Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) habe im Urteil vom 14.12.1965 (1 BvR 606/60, BStBl I 1966, 196) entschieden, dass die Anknüpfung des besonderen Kirchgeldes an den durch die Ehe erhöhten Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten grundsätzlich verfassungsgemäss sei. Die Kirchensteuer müsse dann aber nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ihrer Höhe nach in angemessenem Verhältnis zu dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des steuerpflichtigen Ehegatten stehen; sie dürfe nicht schematisch jeder Veränderung des Einkommens des anderen Ehegatten unbegrenzt folgen, weil jeder normale Lebensaufwand bestimmte Grenzen nicht überschreite. Der Beklagte knüpfe jedoch nicht an den Lebensführungsaufwand der Klägerin an, sondern bemesse das Kirchgeld alleine nach dem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen. Dabei werde zwar immer betont, dass aufgrund der schwierigen Ermittlung des Lebensführungsaufwandes das gemeinsame zu versteuernde Einkommen als Hilfsmaßstab herangezogen werden könne. Dieses werde jedoch nicht als Hilfsmaßstab, sondern als alleiniger Maßstab herangezogen. Der Lebensführungsaufwand werde dabei in keiner Weise beziffert, sondern es werde schlichtweg an das zu versteuernde Einkommen angeknüpft. De fakto werde deshalb auch das zu versteuernde Einkommen des nicht kirchensteuerpflichtigen Ehegatten der Kirchensteuer unterworfen. Dies stelle einen klaren Verstoss gegen die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze dar. Die ausschließliche Anknüpfung an das gemeinsame zu versteuernde Einkommen habe auch noch eine weitere Konsequenz: Aufgrund dessen, dass der Lebensführungsaufwand in keiner Weise beziffert werde, sei überhaupt nicht überprüfbar, ob der kirchliche Gesetzgeber bei der Ermittlung des ...