Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vorsteuerabzug bei falscher Adresse des leistenden Unternehmers; Vertrauensschutz
Leitsatz (redaktionell)
1) Aus Rechnungen mit fehlerhafter Anschrift des leistenden Unternehmers ist der Abzug von Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu versagen.
2) Dies gilt auch dann, wenn trotz fehlerhafter Anschrift der leistende Unternehmer auf andere Weise ermittelt werden kann.
3) Der Vorsteuerabzug aus solchen Rechnungen ist auch dann zu versagen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz vorliegen; in diesem Fall kann der Vorsteuerabzug allein im Billigkeitsverfahren nach §§ 163, 227 AO gewährt werden.
Normenkette
UStG § 16; AO §§ 163, 227; UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von in Rechnungen zweier Unternehmen enthaltenen Vorsteuerbeträgen.
Der Kläger betrieb im Streitjahr 2007 eine Gebäudereinigung und ein Internetcafé. In seiner Umsatzsteuererklärung 2007 vom 18.02.2009 erklärte er Vorsteuerbeträge i.H.v. 38.994,60 EUR. Dem stand eine Umsatzsteuer aus Lieferungen und sonstigen Leistungen i.H.v. 76.196,32 EUR gegenüber. Am 12.11.2008 begann eine den Kläger betreffende Umsatzsteuer-Sonderprüfung an Amtsstelle. Dabei gelangte die Prüferin zunächst zu dem Ergebnis, dass die erklärten Umsätze wegen ungeklärter Einlagen zu erhöhen seien. Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge und Rechnungsbelege wurde von Hinzuschätzungen zu den erklärten Umsätzen abgesehen. Außerdem seien Vorsteuern hinsichtlich der Rechnungen zweier Unternehmen wegen falscher Rechnungsangaben bzw. fehlender Unternehmereigenschaft in Höhe von 11.923,79 EUR nicht abzugsfähig. Im Einzelnen handelte es sich um Vorsteuerbeträge enthalten in Rechnungen der Firma A Service – Herr D (nachfolgend A Service) vom 31.1.2007 bis 31.3.2007 i.H.v. 4.122,80 EUR sowie der Firma F Service – Herr E (nachfolgend F Service) vom 31.5.2007 bis 30.11.2007 i.H.v. 7.800,99 EUR. Auf den streitgegenständlichen Rechnungen der A Service lautete die angegebene Adresse B-Straße …, in G, auf denen von F Service C-Straße …, in H. Darüber hinaus seien wegen fehlender Rechnungen weitere Vorsteuerbeträge nicht zu berücksichtigen.
Unter dem 07.07.2009 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung – AO – geänderten Umsatzsteuerbescheid 2007. Mit Schreiben vom 24.8.2009 beantragte der Kläger die Änderung der festgesetzten Umsatzsteuer und reichte in der Folgezeit hinsichtlich des Vorsteuerabzuges sämtliche noch fehlenden Eingangsrechnungen nach. Mit Schreiben vom 02.10.2009 beantragte der Kläger, auch die gekürzten Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der beiden Unternehmen A und F Service anzuerkennen. Der Kläger habe vor Auftragsvergabe von beiden Firmen, A und F Service, Bescheinigungen in Steuersachen, Gewerbeanmeldungen, Bescheinigungen über USt-ID-Nummern etc. angefordert, um jeweils von einer Unternehmereigenschaft ausgehen zu können. Außerdem sei der Gutglaubensschutz zu beachten (Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH –, Urteile vom 27.09.2007 und vom 12.01.2006; Bundesfinanzhof – BFH –, Urteile vom 19.04.2007, V R 48/04, vom 06.12.2007, V R 61/05, vom 27.06.1996, V R 51/93). Unter dem 03.11.2009 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2007. Er ging dabei von einer Umsatzsteuer i.H.v. 76.196,32 EUR aus sowie von einer Vorsteuer i.H.v. 27.069,25 EUR und setzte die Umsatzsteuer auf 49.127,07 EUR fest.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 6.11.2009. Er begehrte darin die Berücksichtigung der in den Rechnungen von A und F Service enthaltenen Vorsteuerbeträge i.H.v. 11.923,79 EUR. Diese würden sich auf dem Kläger in Rechnung gestellte Unternehmerleistungen beziehen. Die in der Umsatzsteuer-Sonderprüfung angeführte Rechtsprechung sei zwischenzeitlich durch den BFH und den EuGH geändert.
Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 08.07.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er zusammengefasst aus: Die in den Rechnungen der Firmen A und F Service gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge seien zu Recht nicht als Vorsteuer berücksichtigt worden. Die Voraussetzungen zur Berechtigung zum Abzug der Vorsteuer seien in § 15 Umsatzsteuergesetz – UStG – geregelt. Danach müsse die Steuer für eine Lieferung oder sonstige Leistung gesondert in Rechnung gestellt worden sein, die Lieferung oder sonstige Leistung von einem Unternehmer ausgeführt worden sein, der Leistungsempfänger Unternehmer sein und die Lieferung oder sonstigen Leistungen für sein Unternehmen ausgeführt worden sein und der Leistungsempfänger im Besitz einer nach §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung sein, in der die Angaben vollständig und richtig seien. Deshalb sei der Vorsteuerabzug z.B. zu versagen, wenn die Identität des leistenden Unternehmers mit den Rechnungsangaben nicht übereinstimme oder eine nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wer...