Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlrecht zwischen Sofortversteuerung einer Abfindung und Zuflussversteuerung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Aufgrund teleologischer Reduktion der §§ 16, 34 EStG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besteht in bestimmten Fällen - insbesondere bei Leibrenten - ein Wahlrecht zwischen der sofortigen Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach §§ 16, 34 EStG und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung der nachträglichen Betriebseinnahmen im Jahr des Zuflusses.

2) Soweit Bezüge mit fester Laufzeit gewährt werden, die weniger als zehn Jahre beträgt, besteht kein Wahlrecht zwischen Sofortversteuerung und Zuflussversteuerung.

 

Normenkette

EStG §§ 34, 24 Nr. 2, §§ 18, 16

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen des Wahlrechts zwischen der Sofortversteuerung einer Abfindung im Streitjahr oder der späteren Zuflussbesteuerung nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters wegen Todes aus einer Kommanditgesellschaft.

Die Klägerin ist Erbin nach ihrem am 15.11.2001 verstorbenen Ehemann, der zum Todeszeitpunkt mit 12,15 Prozent als Komplementär an der E-KG (KG) beteiligt war. Der Gesellschaftsvertrag vom 31.01.2001 sah zum Fall des Todes eines Gesellschafters folgende Regelung vor:

§ 13

Tod eines Gesellschafters

(1) Bei dem Tode eines Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Erben und Vermächtnisnehmer eines Gesellschafters werden nach § 14 dieses Vertrags abgefunden.

(2) Jeder Gesellschafter bietet hiermit für den Fall seines Todes seinen Anteil der Gesellschaft zur beliebigen mittelbaren und unmittelbaren Verwertung gegen Zahlung einer Abfindung gemäß § 14 an.

§ 14

Abfindung

(…)

(4) Das Abfindungsguthaben ist, soweit dem nicht zwingende Gesetzesvorschriften entgegenstehen, jeweils in 120 Monatsraten zu zahlen. Die erste Rate wird einen Monat nach Ausscheiden des Gesellschafters fällig. Bis zur Feststellung des Abfindungsguthabens sind geschätzte Beträge auszuzahlen. Zinsen auf das Abfindungsguthaben sind zusammen mit den Tilgungsbeträgen auszuzahlen, so dass der abzufindende Gesellschafter monatlich gleich bleibende Beträge (= monatliche Annuitätsraten) erhält.

Ist der Monatsbetrag aus Zins- und Tilgungsbeträgen niedriger als die monatlichen Bezüge eines Ministerialrates ohne Ortszuschläge, so ist die monatliche Annuitätsrate bei insgesamt verkürzter Gesamtlaufzeit entsprechend zu erhöhen, soweit es die Liquiditätslage der Gesellschaft zulässt. In den Fällen des Ausscheidens wegen Tod oder Berufsunfähigkeit erhöht sich die Rate zusätzlich um die Annuitäten aus weiterzubedienenden Refinanzierungskrediten für Kapitaleinlagen in die Praxis, solange solche noch zu bedienen sind und soweit das Abfindungsguthaben ausreicht.

Die Gesellschaft kann das Abfindungsguthaben auch in größeren Teilbeträgen oder sofort in einer Summe nach ihrem Ermessen entrichten.

(5) Das Abfindungsguthaben wird ab dem Berechnungsstichtag gemäß Absatz 1 mit 1 % p.a. über dem 3-Monats-Euribor nach dem Stande vom Jahresquartalanfang verzinst, der Zinssatz bleibt für das jeweilige Folgequartal unverändert. Der Zinssatz nach Satz 1 ist anzuwenden, wenn das Abfindungsguthaben bei Übernahme des Anteils durch die Gesellschaft nach Wahl des Ausgeschiedenen oder seiner Erben durch eine Bankbürgschaft abgesichert ist. Der Zinssatz erhöht sich um 1 % p.a., wenn der ausgeschiedene Gesellschafter oder seine Erben auf eine Absicherung seines Anspruchs verzichten oder die Gesellschaft keine Sicherheit beibringen kann.

(6) Der Gesamtbetrag aller in einem Kalenderjahr zur Auszahlung fälligen Tilgungsbeträge soll 5 % des Gesamtwertes aller Anteile aller Gesellschafter nicht übersteigen. Bei höheren Auszahlungsbeträgen ist die Gesamtleitung berechtigt, die tatsächliche Auszahlung auf 5 % des Gesamtwertes aller Anteile zu beschränken und quotenmäßig auszuführen. Die Mindestabsicherung nach Absatz 4 sind zu zahlen, auch wenn dadurch die 5%-Grenze überschritten wird.

Der Gesamtabfindungsanspruch beträgt 1.407.970,00 DM, abzüglich eines mit dem positiven Kapitalkonto von 252.159,00 DM zu verrechnenden Betrags verbleiben 1.155.811,00 DM. Dieses Guthaben wird in 120 monatlichen Annuitätsraten an die Klägerin ausgezahlt, beginnend im Jahr 2002.

Der Beklagte stellte die Einkünfte aus selbständiger Arbeit der KG ohne einen darin enthaltenen Veräußerungsgewinn zunächst mit Bescheid vom 03.07.2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 181.234,00 DM gesondert und einheitlich fest. Nach Durchführung einer Außenprüfung erließ der Beklagte mit Datum vom 10.02.2005 einen nach § 164 Abs. 2 der AbgabenordnungAO – geänderten Feststellungsbescheid, worin er die Einkünfte nunmehr auf 1.337.045,00 DM feststellte. Darin enthalten war ein – der Höhe nach unstreitiger – Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.155.811,00 DM, der in vollem Umfang neben laufenden Einkünften in Höhe von 2.690,00 DM dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zugerechnet wurde. Am 23.08.2005 erfolgte eine gesonderte Bek...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge