Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für ein volljähriges verheiratetes Kind in 2012, das einer Erstausbildung nachgeht
Leitsatz (redaktionell)
Für volljähriges verheiratetes Kind, das einer erstmaligen Berufsausübung nachgeht, besteht in 2012 ein Kindergeldanspruch unabhängig von den Grenzbetragsregelungen über eigene Einkünfte und Bezüge und solche des Ehegatten. Auf eine nach früherer Rechtsprechung erforderliche "typische Unterhaltssituation" kommt es nicht mehr an.
Normenkette
EStG §§ 62, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 1; DA FamEStG 31.2.2; EStG § 32 Abs. 4 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Kindergeld für ein volljähriges verheiratetes Kind.
Die Tochter der Klägerin, Frau A, wurde im Februar 1991 geboren und lebte bis Ende 2012 im Haushalt der Klägerin. Seit Januar 2010 ist sie mit Herrn A1 verheiratet. Dieser lebte seit dem 24. März 2011 bis Ende 2012 ebenfalls im Haushalt der Klägerin.
Die Tochter der Klägerin besuchte bis Juli 2010 das B-Berufskolleg der Stadt D (1jährige Berufsfachschule für Hochschulzugangsberechtigte). Ab dem 27. August 2010 arbeitete sie bei der C GmbH & Co. KG aufgrund eines bis zum 26. August 2011 befristeten Arbeitsvertrags als Verkäuferin. Seit dem 15. Juli 2011 wird sie bei der Firma E GmbH zur geprüften Handelsassistentin – Einzelhandel ausgebildet. Ihr Ehemann ist bei der Firma F Personaldienstleistungen e.K. als Lagerarbeiter angestellt.
Die Beklagte gewährte der Klägerin für das Kind A zunächst antragsgemäß Kindergeld. Mit dem streitgegenständlichen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 31. März 2012 hob sie die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab Januar 2012 auf und forderte die Klägerin auf, das für den Zeitraum von Januar 2012 bis März 2012 gezahlte Kindergeld i.H.v. insgesamt 552 EUR gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erstatten.
Die Beklagte begründete dies damit, dass die Voraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet habe, gemäß § 32 Abs. 4 EStG nicht erfüllt seien. Da das Kind A verheiratet sei und sich das Einkommen des Ehegatten und damit auch der bei dem Kind anzurechnende Unterhaltsbeitrag vom Ehegatten erhöht habe, könne sich das Kind unter Berücksichtigung des Unterhaltsbeitrages seines Ehegatten selbst unterhalten.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10. April 2012 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sie selbst für den Unterhalt und die Berufsausbildung des Kindes aufkomme. Der Ehemann des Kindes brauche seine Einkünfte für sich, dessen Lohnabrechnungen fügte die Klägerin bei. Weiterhin verwies die Klägerin auf verschiedene Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH).
Mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2013 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Voraussetzung für die Gewährung von Kindergeld sei unter anderem, dass gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG die Einkünfte des Kindes und seine Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt und geeignet sein, den gesetzlich festgelegten Grenzbetrag für das jeweilige Kalenderjahr nicht überschritten. Zu diesen Bezügen, die einen Kindergeldanspruch ausschließen könnten, gehörten auch Unterhaltsleistungen, die ein verheiratetes Kind von seinem Ehegatten beanspruchen könne. Nach der Rechtsprechung des BFH bestünde spätestens ab dem Folgemonat der Eheschließung grundsätzlich kein Anspruch mehr auf Kindergeld für ein verheiratetes Kind. Nach der Heirat sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsverpflichtung vorrangig bei dem Ehepartner liege. Eine zwingende Unterhaltsbelastung der Eltern liege dann nicht mehr vor, so dass kein Grund mehr für die Gewährung von Kindergeld bestünde.
Abweichend davon könnten Eltern ausnahmsweise auch für den Zeitraum nach der Eheschließung eines Kindes kindergeldberechtigt sein, wenn der Ehepartner zum vollständigen Unterhalt des Kindes aufgrund niedrigen Einkommens nicht in der Lage sei, das Kind selbst ebenfalls nicht über ausreichende Einkünfte und Bezüge verfüge und die Eltern deshalb für das Kind aufkommen müssten (sog. Mangelfall). Maßstab sei dabei, ob die Einkünfte des Kindes, gegebenenfalls zusammen mit den anrechenbaren Unterhaltsleistungen des Ehepartners, den anteiligen Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten. Als Unterhaltsleistung des Ehegatten sei die Hälfte der Differenz zwischen den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes einerseits und dem (höheren) Nettoeinkommen des Ehegatten andererseits anzurechnen. Dem Ehegatten müsse jedoch mindestens ein Nettobetrag in Höhe des Existenzminimums verbleiben. Daraus folge, dass es nicht zu einer Anrechnung von Unterhaltsleistungen kommen könne, wenn der Ehegatte weniger verdiene als das Kind oder das Netto-Einkommen des Ehegatten unter dem Existenzminimum liege.
Ein derartiger Mangelfall liege im Streitfal...