Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kindergeld bei Kindern, die im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben
Leitsatz (redaktionell)
Deutschstämmige Kinder, die sich dauerhaft in der Betreuung durch ihre Mutter sowie einer (Hoch)Schulausbildung im Ausland befinden, dort auch wohnen und im deutschen Inland keinen Wohnsitz mehr haben, berechtigen den in Deutschland arbeitenden Vater nicht mehr zum Bezug von Kindergeld. Dies gilt auch dann, wenn die Kinder die Absicht haben, nach Abschluss der Ausbildung nach Deutschland zurückzukehren und in den Ferien regelmäßig nach Deutschland für eine kürzere Zeit als 6 Monate zurückkehren. Vergleichbarkeit mit einer Internatsunterbringung besteht nicht.
Normenkette
AO § 8; EStG § 63 Abs. 1 S. 3
Nachgehend
BFH (Aktenzeichen III B180/09) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Kindergeldfestsetzung für die Kinder A (geb. … 1989) und B (geb. … 1993), die beide deutsche Staatsangehörige sind, aufgehoben und Kindergeld in Höhe von 16.170,– EUR zurückgefordert hat.
Der Kläger bezog für seine beiden vorgenannten Kinder Kindergeld. Ab Juli 2003 besuchten A und B in der Türkei eine Schule. Sie wohnten dabei in C in einer Privatwohnung, wo sie regelmäßig von ihrer Mutter und ansonsten von ihrer Tante betreut wurden (vgl. Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 22. März 2008, Bl. 41 ff. der Kindergeldakte). 2006 beendete A die Schulausbildung und besucht seit dem eine Hochschule in D. Dort wohnt sie in einem Studentenwohnheim. Auch B soll nach dem Besuch der Schule in der Türkei die Hochschule besuchen.
Die Beklagte hob mit Verfügung vom 5. Juni 2008 die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2003 auf und forderte Kindergeld in Höhe von 18.018,– EUR zurück.
Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren änderte die Beklagte den angefochtenen Bescheid dahingehend, dass Kindergeld erst ab Juli 2003 aufgehoben und zurückgefordert wird. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen in der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2008 aus, dass die Kinder nicht mehr über einen inländischen Wohnsitz verfügten.
Mit der Klage trägt der Kläger vor:
Die Kinder verfügten weiterhin über einen inländischen Wohnsitz. Sie kehrten in den Semester- bzw. Schulferien regelmäßig nach Hause zurück. Sie hätten außerdem die Absicht, nach Beendigung ihrer Ausbildung nach Deutschland zurückzukehren.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 5. Juni 2008 in Gestalt des Bescheids vom 8. September 2008 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 09.09.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten, vgl. 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Die Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung ab Juli 2003 aufgehoben.
Kinder werden grundsätzlich nur dann berücksichtigt, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, § 63 Abs. 1 S. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG –. A und B verfügen jedoch ab Juni 2003 nicht mehr über einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Allein die deutsche Staatsangehörigkeit der Kinder begründet noch keinen Kindergeldanspruch für die Kinder.
Der Wohnsitzbegriff im Sinne von § 8 Abgabenordnung – AO – setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit – wenn auch in größeren Zeitabständen – aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aneinander folgender kurzer Zeiträume zu Wohnungszwecken oder ein Aufenthalt, der nur Besuchscharakter hat, reiche nicht aus. Kinder, die sich lediglich zum Zwecke einer zeitlich begrenzten Schul- oder Berufsausbildung im Ausland aufhalten, behalten zwar in der Regel ihren Wohnsitz im Inland bei. Begibt sich das Kind aber zum Zwecke einer Schul- oder Berufsausbildung zu Verwandten ins Ausland und hält es sich dort länger auf, reicht nach der Rechtsprechung die Absicht, nach Abschluss der Ausbildung wieder nach Deutschland zurückzukehren, allein nicht aus, um den Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes anzunehmen. Der Inlandswohnsitz besteht in derartigen Fällen nur fort, wenn das betroffene Kind entweder seinen alleinigen Lebensmittelpunkt weiterhin im Inland hat oder aber es zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt (vgl. zusammenfassend Bundesfinanzhof, Urteile vom 23. November 2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 294 und vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, haben A und B im Streitfall ab Juni 2...