Entscheidungsstichwort (Thema)
Belgisches Arbeitslosengeld nicht steuerfrei
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 S. 2 EStG ist bezogenes belgisches Arbeitslosengeld nicht nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei.
2) Diese Rechtslage verstößt nicht gegen Art. 39 EG (heute Art. 45 AEUV).
Normenkette
EStG § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 3 Nr. 2; EG Art. 39; AEUV Art. 45; EStG § 1 Abs. 3 S. 2
Tatbestand
Die Kläger sind Ehegatten. Sie sind belgische Staatsangehörige und hatten im Streitjahr (2006) ihren Wohnsitz in Belgien.
In der für das Streitjahr eingereichten Einkommensteuererklärung beantragten sie die Durchführung einer Zusammenveranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG. Als im Inland steuerpflichtige Einnahmen erklärten sie einen Bruttoarbeitslohn des Ehemannes i. H. v. 32.801 EUR. Ausweislich der mit dieser Steuererklärung vorgelegten Bescheinigung EU/EWR erzielten die Kläger in diesem Jahr in ihrem Ansässigkeitsstaat Belgien folgende in diesem Staat der Besteuerung unterliegende Einnahmen: einen Bruttoarbeitslohn des Ehemannes i. H. v. 2.252 EUR und Arbeitslosengeld der Ehefrau i. H. v. 11.196,00 EUR. Im Vorjahr 2005 war die Klägerin während des ganzen Jahres bei dem Arzt Dr. E, in Deutschland angestellt. Sie erhielt von ihm einen Bruttoarbeitslohn i. H. v. 20.335,34 EUR.
Die Kläger haben einen Steuerbescheid des Steuereinnahmeamts F in Belgien, der am 26.11.2009 an sie versandt wurde, vorgelegt. Dieser betrifft das Jahr der Einkünfte 2006 und das Steuerjahr 2007. Dieser Bescheid führte für die Kläger zu einer Erstattung von 953,79 EUR. Unter Einzelheiten der Berechnung befinden sich die Abschnitte „1. Festlegung der steuerpflichtigen Einkünfte” und 2. „Berechnung der Steuern”. Danach betrug das „Global steuerpflichtige Einkommen” des Ehemannes 20.942,77 EUR und dasjenige der Ehefrau 9.332,96 EUR. Das Nettoeinkommen der Ehefrau i. H. v. 11.903,68 EUR setzte sich aus dem Arbeitslosengeld i. H. v. 11.196,18 EUR und anderen Ersatzeinkünften i. H. v. 707,50 EUR zusammen. Wegen des Inhalts des belgischen Steuerbescheids im Übrigen wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Kläger vom 19.04.2012 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 29.04.2008 lehnte das Finanzamt (FA) den Antrag auf Einkommensteuerveranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG ab, weil nicht mindestens 90 % der gesamten Einkünfte der Besteuerung im Inland unterlegen hätten bzw. die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte mehr als 12.272,00 EUR betragen hätten. Gegen den Ablehnungsbescheid vom 29.04.2008 legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, dass das von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld keine schädlichen Einkünfte i. S. des § 1 Abs. 3 EStG darstelle. Dieses sei im Inland steuerfrei. Im Übrigen sei zu bedenken, dass die entsprechenden Beiträge von der Klägerin im Inland entrichtet worden seien. Mit Bescheid vom 09.05.2008 führte das FA eine Einzelveranlagung für den Kläger durch. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger ebenfalls Einspruch ein. Den gegen den Ablehnungsbescheid vom 29.04.2008 eingelegten Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 20.05.2009 als unbegründet zurück. Über den gegen den Bescheid vom 09.05.2008 erhobenen Einspruch hat das FA bisher nicht entschieden.
In der abweisenden Einspruchsentscheidung führte das FA aus, es habe zu Recht die Durchführung der Zusammenveranlagung der Kläger zur unbeschränkten Steuerpflicht abgelehnt.
Nach § 1 Abs. 3 EStG würden auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, soweit sie inländische Einkünfte hätten. Dies gelte nach Satz 2 der Vorschrift jedoch nur dann, wenn die Einkünfte zu mindestens 90 % der deutschen Steuer unterlägen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 6.136,00 EUR betrügen. Bei Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG sei nach § 1a EStG im Falle von Ehegatten auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Betrag von 6.136,00 EUR zu verdoppeln. Nur Einkünfte die nicht der deutschen Steuer unterlägen und im Ausland ebenfalls nicht besteuert wurden, blieben bei der Einkommensermittlung unberücksichtigt. Voraussetzung sei aber, dass es vergleichbare Leistungen im Inland gebe. Damit sei ausländisches Arbeitslosengeld nur dann nicht mehr zu berücksichtigen, wenn es auch im Ausland steuerfrei bleibe.
Im Streitfall seien die Einkommensvoraussetzungen nicht erfüllt. Die Summe der Einkünfte der Eheleute betrage im Streitfall 43.419,00 EUR. Davon unterlägen nur 30.891,00 EUR der deutschen Einkommensteuer. Das entspreche 71,11 %. Die absolute Grenze von 12.272,00 EUR sei durch die ausländischen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit i. H. v. 1.332,00 EUR und das in Belgien bezogene Arbeitslosengeld der Klägerin i. H. v. 11.196,00 EUR, zusammen also 12.528,00 EUR ebenfalls überschritten.
Die Einbeziehung des belgischen Arbeitslosengeldes a...