Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 8b KStG für 1999 bei Beherrschung europarechtswidrig
Leitsatz (redaktionell)
§ 8b Abs. 7 KStG verstößt für den Veranlagungszeitraum 1999 gegen Art. 63 AEUV, wenn die Beteiligung einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft in der Weise ermöglicht, dass deren Tätigkeit bestimmt werden kann.
Zum Verhältnis der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit zur Kapitalverkehrsfreiheit.
Normenkette
AEUV Art. 49, 63; KStG 1999 § 8b Abs. 7
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, den Gewinn der Klägerin gemäß § 8 b Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr 1999 gültigen Fassung – im Folgenden KStG – um 5 % nicht abzugsfähige Betriebsausgaben aus einer steuerfreien Dividende der in der USA ansässigen A Corporation – im Folgenden AC – zu erhöhen.
Die Klägerin war im Streitjahr 1999 zu 33,5 % an der AC beteiligt. Aus dieser Beteiligung erzielte sie eine Brutto-Dividende in Höhe von 4.527.504,95 EUR, für die in den USA 5% Quellensteuer einbehalten wurden (Art. 10 Abs. 2a) des Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern (Fassung bis 2006/2007 – im Folgenden DBA-USA –). Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die mit der Beteiligung im Streitjahr 1999 tatsächlich entstandenen Kosten 10.953,18 DM (5.600,27 EUR) betragen haben. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Kosten einer Reise der Geschäftsleitung im Januar 1999 (1.261,00 EUR) sowie zwei weiteren Reisen im April 1999 (2.304,83 EUR) und Oktober 1999 (2.034,44 EUR).
Mit Bescheiden/Änderungsbescheiden vom 8. April 2005 veranlagte der Beklagte die Klägerin zur Körperschaftsteuer 1999, Feststellungen gem. § 47 Abs. 1 und 2 KStG a.F., Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1999, Gewerbesteuermessbetrag 1999 und Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages. Dabei nahm er die von der AC gezahlte Dividende (wohl) nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 a) Sätze 1 und 3 des DBA-USA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer aus, berücksichtigte jedoch steuererhöhend 5 % der Brutto-Dividende nach § 8b Abs. 7 KStG a.F. als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben.
Die hiergegen am 11. Mai 2005 eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mangels Vorlage einer Begründung mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2007 als unbegründet zurück.
Innerhalb der Klagefrist beantragte die Klägerin am 4. Juli 2007 die Änderung der vorgenannten Bescheide nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a i.V.m. S. 3 der Abgabenordnung – AO –. Hiermit begehrte sie den Ansatz der 5% nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben rückgängig zu machen. Bevor der Beklagte über diesen Änderungsantrag entschieden hat, hat die Klägerin am 26. Juli 2007 gegen die Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2007 Klage erhoben, mit der sie das ursprünglich mit ihrem Änderungsantrag verfolgte Begehren im Klageverfahren gegen die Steuerbescheide weiterverfolgt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, § 8 b Abs. 7 KStG in der im Streitjahr 1999 gültigen Fassung sei wegen eines Verstoßes gegen die in Artikel 63 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union – AEUV; früher Artikel 56 EG-Vertrag – geregelten Kapitalverkehrsfreiheit nicht anwendbar. Die Kapitalverkehrsfreiheit werde nicht durch die Niederlassungsfreiheit (Artikel 49 AEUV) verdrängt. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH – sei bei der Frage, ob eine nationale Regelung unter die Niederlassungsfreiheit oder aber die Kapitalverkehrsfreiheit falle, auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (EuGH, Urteil vom 10. Februar 2011, Rechtssache – Rs C-436/08 und Rs C-437/08, Rn. 34, www.curia.eu). Eine Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar sei, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen und das Tätigwerden einer Gesellschaft ermöglichten, fiele nach der Rechtsprechung des EuGH unter die Niederlassungsfreiheit (EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010, Rs C-311/08, Rn. 28 – SGI). In den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fielen Beteiligungen, die die Möglichkeit verschafften, sich tatsächlich an der Verwaltung der Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen (sogenannte Direktinvestitionen) sowie der Erwerb von Wertpapieren allein in der Absicht, eine Geldanlage zu tätigen (sogenannte Portfolio-Investitionen); EuGH, Urteil vom 17. September 2009, Rs C-182/08, Rn. 40). Nach diesen Grundsätzen sei § 8 b Abs. 7 KStG zumindest auch dem Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit zuzuordnen. Denn die Vorschrift gelte in der Fassung des Streitjahres 1999 unabhängig von der Möglichkeit, auf die Tochtergesellschaft einen sicheren Einfluss ausüben zu können (Finanzgericht – FG – Köln, Urteil vom 24. ...