Entscheidungsstichwort (Thema)
Erschütterung der Zugangsvermutung bei Bekanntgabe durch die Post
Leitsatz (redaktionell)
Fällt der dritte Tag nach Aufgabe zur Post auf einen Samstag und hat der Empfänger, der kraft seiner Berufsstellung verpflichtet ist, für Dritte Rechtsangelegenheit wahrzunehmen - Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer -, mit dem Postboten vereinbart, dass samstags keine Post ausgeliefert wird, kann sich der Empfänger nicht darauf berufen, der Verwaltungsakt (Steuerbescheid, Einspruchsentscheidung) sei ihm tatsächlich erst am darauffolgenden Montag zugegangen.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 2, 2 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die bestandskräftig festgesetzte Einkommensteuer für 1992 aus persönlichen Billigkeitsgründen zu erlassen ist.
Nachdem der Kläger trotz wiederholter Aufforderung die Einkommensteuererklärung für 1992 nicht abgegeben hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer für 1992 mit Bescheid vom 26.04.1995 auf 81.191,– DM fest. Hierbei berücksichtigte er einen (geschätzten) Spekulationsgewinn aus der Veräußerung eines bebauten Grundstücks, das der Kläger drei Tage zuvor erworben hatte, in Höhe von …,– DM. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 05.06.1995, bei dem Beklagten eingegangen am 09.06.1995, Einspruch ein. Diesen verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.08.1995 wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig. Die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage nahm der Kläger mit Schreiben vom 10.06.1996 zurück. Am 10.09.1996 legte der Kläger die Einkommensteuererklärungen für 1992 und 1993 dem Beklagten vor. Hierin ist ein Spekulationsgewinn aus dem streitigen Grundstücksgeschäft in Höhe eines Betrages von lediglich …,– DM erklärt, und zwar mit der Einkommensteuererklärung für 1993. Darüber hinaus sind in den Einkommensteuererklärungen nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von jeweils …,– DM erklärt. Was den erklärten Spekulationsgewinn angeht, so machte der Kläger geltend, der Beklagte habe zu Unrecht bei der vorgenommenen Schätzung von ihm, dem Kläger, im Zusammenhang mit der Grundstücksveräußerung zu übernehmende Posten unberücksichtigt gelassen. Hierbei handele es sich um folgende Kosten:
Notarkosten |
… DM |
Grundbuchkosten |
… DM |
Grunderwerbsteuer |
… DM |
Maklerprovision der A-AG |
… DM |
weitere Maklerprovision der A-AG |
… DM. |
Da aus der Grundstücksveräußerung vom Notar lediglich ein Betrag von …,– DM zur Auszahlung gelangt sei, sei ihm, dem Kläger, damit nur der vorgenannte Betrag von …,– DM zugeflossen. Der Antrag des Klägers, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 1992 auf der Grundlage des § 174 Abs. 1 i. V. m. § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und den Spekulationsgewinn nur in Höhe des erklärten Betrages von …,– DM zu berücksichtigen, hatte keinen Erfolg. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger zusätzlich die Nichtigkeit des streitigen Einkommensteuerbescheides 1992 geltend machte, hatte ebenfalls keinen Erfolg. Mit Urteil vom 24.04.1998 – 6 K 5560/97 – wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Urteil, auf das wegen der Einzelheiten der Begründung Bezug genommen wird, ist zwischenzeitlich rechtskräftig geworden, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch Entscheidung vom 27.05.1999 – V B 114/98 – als unbegründet zurückgewiesen hat.
Ebensowenig hatte der Erlaßantrag des Klägers vom 17.06.1996, den der Kläger ausschließlich auf sachliche Billigkeitsgründe stützte, Erfolg. Die in diesem Zusammenhang ergangene Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 05.03.1997 erwuchs in Bestandskraft.
Mit Schreiben vom 15.10.1997 beantragte der Kläger erneut den Erlass der für 1992 festgesetzten Einkommensteuer. Nunmehr stützte er seinen Antrag auf persönliche Billigkeitsgründe. Es sei unbillig, bei ihm, dem Kläger, eine Steuer beizutreiben, die auf einer völlig überhöhten Schätzung beruhe. Die vom Beklagten vorgenommene Schätzung weiche von den tatsächlichen Verhältnissen um mehr als 800 v. H. ab. Er, der Kläger, habe im Streitjahr und in den folgenden Jahren aus der Tätigkeit als Geschäftsführer der R-GmbH lediglich einen Bruttoarbeitslohn von …,– DM per anno bezogen. Er sei damit nicht in der Lage, die festgesetzte Einkommensteuer zurückzuführen. Dementsprechend sei die vom Beklagten eingeleitete Zwangsvollstreckung auch im wesentlichen ohne Erfolg geblieben. Da der Beklagte auch weiterhin Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vornehme, sei damit zu rechnen, daß er, der Kläger, auch noch um die bestehende restliche wirtschaftliche Existenz gebracht würde. Auch diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Verfügung vom 12.01.1998 ab. Zur Begründung verwies er auf die fehlende Erlaßwürdigkeit des Klägers. Denn der Kläger habe seine mangelnde Leistungsfähigkeit durch ein...