Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines gewerblichen Wertpapierhandels, Verfassungsmäßigkeit der Verlustabzugsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet die Grenze zur gewerblichen Betätigung nur in besonderen Fällen, wenn sich der Steuerpflichtige "wie ein Händler" verhält.

2) Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG unterliegen der Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG, gegen die keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 8, § 15 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.05.2015; Aktenzeichen X B 171/14)

BFH (Beschluss vom 28.05.2015; Aktenzeichen X B 171/14)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der vertikalen Verlustausgleichsbeschränkung.

Die Kläger sind Eheleute und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Elektroingenieur und die Klägerin als kaufmännische Assistentin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin erzielte zudem Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Darüber hinaus erzielten beide Kläger jeweils Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Einkünfte setzten sich ausweislich der jeweiligen Einkommensteuerbescheide (für 2002 vom 16.12.2004; für 2003 vom 17.3.2005; für 2004 vom 4.11.2005 und für 2006 vom 28.12.2006) wie folgt zusammen:

2002

2003

2004

2005

§ 15 EStG Klägerin

3.268 Euro

3.197 Euro

3.147 Euro

-2.782 Euro

§ 19 EStG Klägerin

34.956 Euro

18.508 Euro

14.608 Euro

14.584 Euro

§ 19 EStG Kläger

150.159 Euro

128.473 Euro

133.024 Euro

127.535 Euro

§ 20 EStG Klägerin

2.117 Euro

2.672 Euro

2.753 Euro

2.768 Euro

§ 20 EStG Kläger

517.516 Euro

7.839 Euro

8.562 Euro

8.716 Euro

§ 21 EStG Kläger

-154 Euro

-160 Euro

-201 Euro

-152 Euro

§ 22 EStG Kläger

-517.912 Euro

-104.440 Euro

-30.654 Euro

-33.756 Euro

Die Verluste im Rahmen des § 22 EStG resultierten aus der Veräußerung von Wertpapieren und setzten sich entsprechend den vom Beklagten übernommenen Angaben in den Einkommensteuererklärungen wie folgt zusammen:

2002

2003

2004

2005

Einkünfte Halbeinkünfte

-56.216 Euro

-10.233 Euro

+1.377 Euro

0

Einkünfte vollständig

-489.804 Euro

-99.234 Euro

-31.343 Euro

-33.756 Euro

Gesamtverlust

-517.912 Euro

-104.440 Euro

-30.654 Euro

-33.756 Euro

Der Beklagte ließ die Gesamtverluste aus Veräußerungsgeschäften nicht zum Ausgleich mit den übrigen positiven Einkünften der Kläger zu (vertikale Verlustausgleichsbeschränkung). Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten befindlichen Einkommensteuererklärungen und Einkommensteuerbescheide Bezug genommen.

Die Kläger legten gegen die jeweiligen Einkommensteuerbescheide wegen der Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs sowie diverser anderer, zwischenzeitlich jedoch nicht mehr streitiger Punkte, Einsprüche ein und stellten hinsichtlich der Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs Anträge auf ein Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 AO, denen der Beklagte entsprach.

Mit Verfügung vom 5.9.2007 griff der Beklagte die Einspruchsverfahren wieder auf und wies die Kläger auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur vertikalen Verlustabzugsbeschränkung vom 18.10.2006 (IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473) und vom 6.3.2007 (IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478) hin. Gleichzeitig bat er, die Erfolgsaussichten der Einsprüche zu überprüfen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 24.3.2008 wies der Beklagte die Einsprüche zurück und führte – soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse – zur Begründung aus, dass die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs mit Blick auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 18.10.2006 (IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473) und vom 6.3.2007 (IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478) verfassungsgemäß sei. Das Bundesverfassungsgericht habe die im Gesamtzusammenhang unter dem Aktenzeichen 2 BvR 294/06 erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten (Band VII) befindliche Einspruchsentscheidung vom 24.3.2008 Bezug genommen.

Mit ihrer Klage machen die Kläger nur noch geltend, dass die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs zwischen den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften und positiven anderen Einkünften verfassungs- und rechtswidrig sei. Soweit man davon ausgehe, dass es sich bei den im vorliegenden Verfahren relevanten Vorgängen um private Veräußerungsgeschäfte handele, seien die Ausführungen im Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18.10.2006 (IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259) zu berücksichtigen. Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei die Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 Abs. 3 EStG. Der Bundesfinanzhof führe in seiner Entscheidung aus, dass die Norm „noch...

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