Entscheidungsstichwort (Thema)
Ständige Ansässigkeit eines Botschaftsmitarbeiters in Deutschland
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Begriff der "ständigen Ansässigkeit" nach § 3 Nr. 29a Satz 2 EStG ist identisch mit dem entsprechenden Begriff in Art. 37 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD).
2) Bei der Anwesenheit einer Person von 25 Jahren oder länger in Deutschland ist eine nicht ständige Ansässigkeit in Deutschland ausgeschlossen.
3) Die Bescheinigung eines ausländischen Botschafters, mit der dieser einer Person eine nicht ständige Ansässigkeit bescheinigt, hat keine konstitutive Bedeutung.
Normenkette
EStG § 3 Nrn. 29, 29 a; WÜD Art. 37
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Gehalt, das der Kläger als Angehöriger einer ausländischen Botschaft bezieht, steuerfrei ist.
Die Kläger sind seit 1993 verheiratete Ehegatten. Der 1947 geborene Kläger ist … Staatsangehöriger. Die Klägerin ist … Staatsangehörige. Der Kläger erhält als Angestellter der … Botschaft Arbeitslohn. Die Klägerin erzielt Arbeitslohn als Angestellte eines Hotelbetriebes. Die Kläger bewohnen eine gemeinsame Wohnung in A..
Bezüglich seiner Tätigkeit bei der … Botschaft legte der Kläger im Einspruchsverfahren des Streitjahres 1995 eine Bescheinigung des … Botschafters vom 21.04.1998 mit folgendem Wortlaut vor:
„Hiermit bescheinige ich Herrn B., geb. am 13. Januar 1947, daß er seit dem 15. März 1968 als Dienstpersonal in der Residenz des … Botschafters in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt ist.
Herr B. besitzt die … Staatsangehörigkeit.
Herr B. ist im Jahre 1968 in die Bundesrepublik Deutschland zwecks Arbeitsaufnahme in der Residenz des …. Botschafters eingereist und seit diesem Zeitpunkt dort ohne Unterbrechung beschäftigt. Er beabsichtigt, nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit in der Residenz des … Botschafters die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.
Bei Herrn B. handelt es sich um eine nicht ständig ansässige Person.”
Vor seiner Einreise nach Deutschland war der Kläger in C. als Angestellter verschiedener Botschaften tätig.
Für das Streitjahr 1995 gaben die Kläger eine Einkommensteuererklärung ab, in der sie lediglich die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin sowie das von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld erklärten. Zu den Einkünften des Klägers machten sie keine Angaben mit der Begründung, daß der Arbeitslohn des Klägers bei der … Botschaft nicht der deutschen Besteuerung unterliege.
Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 03.02.1998 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 2.977,00 DM fest. Dabei berücksichtigte er die Einkünfte der Klägerin erklärungsgemäß. Als Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers wurden 0,00 DM angesetzt. Im Rahmen der Berechnung der Einkommensteuer wurden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 48.000,00 DM (Einnahmen 50.000,00 DM abzüglich Arbeitnehmerpauschbetrag von 2.000,00 DM) geschätzt und im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt.
Im Einspruchsverfahren des Streitjahres 1995 machten die Kläger geltend, der Kläger sei nicht in Deutschland ständig ansässig im Sinne des Wiener Übereinkommens bzw. des § 3 Nr. 29 EStG. Er habe von seinem Dienstantritt bei der … Botschaft an bis zum 01.11.1990 in der Botschaftsresidenz gewohnt. 1990 habe er seine jetzige Wohnung bezogen. Er halte sich ausschließlich wegen seines Arbeitsverhältnisses bei der … Botschaft in Deutschland auf und beabsichtige, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Deutschland zu verlassen und in sein Heimatland D. zurückzukehren. Zur Stützung ihrer Auffassung beriefen sich die Kläger auf die Kommentierung von Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 29 Anm. 17. Es gebe auch keine Handhabe für die Einbeziehung der Einkünfte des Klägers in den Progressionsvorbehalt. Denn das Wiener Übereinkommen bezwecke die absolute Steuerfreistellung.
Mit Schreiben vom 02.04.1998 teilte der Beklagte mit, alle von den ausländischen Vertretungen eingestellten Bediensteten (Ortskräfte) würden ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit als in Deutschland „ständig ansässig” angesehen. Dies gelte nur dann nicht, wenn der Leiter der ausländischen Mission im Einzelfall ausdrücklich darlege, daß und aus welchen Gründen die betreffende Ortskraft sich nur vorübergehend in der Bundesrepublik aufhalte und die Absicht habe, später in den Entsendestaat oder in ein drittes Land auszuwandern. Damit bestehe im vorliegenden Fall keine Fiskalimmunität im Sinne des Wiener Übereinkommens. Nach Artikel 17 Abs. 1 Satz 2 des DBA Australien stehe das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zu. Der Progressionsvorbehalt entfalle. Er bitte, den Einspruch noch einmal zu überdenken und mitzuteilen, ob dieser aufrechterhalten werde. Auf die Möglichkeit der Verböserung weise er hin.
Mit Schreiben vom 29.04.1998 legten die Kläger die erwähnte Bescheinigung des … Botschafters vom 21.04.1998 vor mit dem Begehren, nunmehr die Steuerfestsetzung aufzuheben.
Mit der Einspruchsentscheidung für 1995 ...