Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg für die Durchsetzung von Einsichts- und Auskunftsansprüchen zur Vorbereitung eines insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Vom Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO werden auch Fälle erfasst, in denen der Insolvenzverwalter Einsicht in Steuerakten eines noch nicht abgeschlossenen Steuerverfahrens begehrt, um die Interessen des Gemeinschuldners in einem solchen Verfahren wahrnehmen zu können.
2. Will der Insolvenzverwalter hingegen die Vollstreckungsakten des Beklagten in einem bereits abgeschlossenen Vollstreckungsverfahren einsehen, um einen Anfechtungsanspruch nach der Insolvenzordnung beziffern zu können, so ist zur Durchsetzung dieses auf § 242 BGB und die Grundsätze von Treu und Glauben gestützten Begehrens der Finanzrechtsweg nicht eröffnet, sondern die Streitsache an das Amtsgericht zu verweisen (entgegen FG des Saarlandes, Urteil v. 17. 12. 2009, 1 K 1598/08, EFG 2010, 616).
3. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich beim Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.
4. Zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Akteneinsicht und Auskunft aus § 1 Abs. 2 i. V. m. § 4 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern (IFG MV) ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten jedenfalls dann nicht eröffnet, wenn Auskunft und Einsicht in die Verwaltungsakten nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens aus außersteuerlichen Gründen geltend gemacht wird (entgegen FG Münster, Urteil v. 5.11.2002, 1 K 7155/00, EFG 2003, 499 zu § 4 IFG NRW).
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1; GVG § 17a Abs. 2; BGB § 242; IFG MV § 1 Abs. 2; IFG MV § 12 Abs. 2
Tenor
Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht G verwiesen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.)
Der Kläger begehrt zur Vorbereitung eines insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruchs Einsicht in die Vollstreckungsakte des Beklagten, hilfsweise Auskunft.
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 23. April 2009 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der … GmbH ernannt. Mit Schreiben vom 10. August 2009 beantragte er Einsicht in die Vollstreckungsakte des Beklagten. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. August 2009 ab.
Mit seinem hiergegen form- und fristgerecht „gemäß § 12 Abs. 2 IFG M-V” eingelegten „Widerspruch” vom 16. September 2009 machte der Kläger geltend, er habe aus § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern – IFG M-V – einen Anspruch auf Zugang zu den beim Beklagten vorhandenen Informationen der Insolvenzschuldnerin. Der Anspruch erstrecke sich nach § 2 IFG M-V auf jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung in Form von Schrift, Bild, Ton oder in sonstige Daten, mithin auch auf die Vollstreckungsakte. Ein Ablehnungsgrund gemäß § 5 IFG M-V sei nicht ersichtlich. Insoweit wies er zu näheren Begründung auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Juli 2008, 8 A 1548/0, ZIP 2008, 1542 hin.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06. Januar 2010 als unbegründet zurück. Hierzu führte er aus, § 7 und § 5 Nr. 4 IFG M-V in Verbindung mit § 30 der Abgabenordnung – AO – würden einen Anspruch aus dem IFG M-V einschränken und dem Insolvenzverwalter keine Akteneinsicht in Verfahrensakten zurückliegender und bereits bestandskräftig abgeschlossener Veranlagungszeiträume erlauben. Soweit er diese Vorgänge im Hinblick darauf prüfen wolle, ob Anfechtungsrechte nach §§ 129 ff. der Insolvenzordnung – InsO – in Betracht kämen, bestünde ein Auskunftsanspruch nur dann, wenn ein Anfechtungsgrund tatsächlich bestehe oder zumindest substantiiert vorgetragen werde (vgl. Finanzgericht – FG – Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 2008, 4 K 242/07, EFG 2009, 258).
Hiergegen wendet der Kläger sich mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Klage vom 04. Februar 2010, mit der er beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06. Januar 2010 zu verpflichten, ihm Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte der … GmbH, Steuernummer … für das Jahr 2006 zu gewähren,
hilfsweise Auskunft über Zeitpunkt und Höhe der von der … GmbH im Zeitraum vom 14. März 2006 bis zum 15. Juni 2006 an den Beklagten geleisteten Zahlungen zu erteilen.
Der Kläger stützt sein Begehren auf einen „allgemeinen Auskunfts- und Akteneinsichtsanspruch” und führt hierzu aus, er benötige die Einsicht/Auskunft, um seinen gesetzlichen Auftrag als Insolvenzverwalter erfüllen und einen Anfechtungsanspruch gegen den Beklagten geltend machen zu können. Ihm stünde gegen den Beklagten ein Anfechtungsrecht aus § 133 Abs. 1 InsO zu. Neben dem „allgemeinen” Auskunfts- und Akteneinsichtsanspruch habe er aber auch einen Anspruch auf Informationszugang nach § 1 IFG M-V.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ein Ansp...