Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung des Verlustausgleichs gem. § 10a GewStG bei Gesellschafterwechsel. Keine bewusst in Kauf genommene gesetzgeberische Härte
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob § 10a GewStG in der für das Streitjahr 2005 geltenden Fassung den verfassungsrechtlichen Geboten, die Ertragssteuerbelastung an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten (sog. objektives Nettoprinzip) und eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung zu vermeiden, entspricht, soweit auch im Fall eines Gesellschafterwechsels der Verlustausgleich betragsmäßig begrenzt wird, obwohl zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass ein späterer Verlustausgleich, soweit er dem ausgeschiedenen Gesellschafter zuzurechnen war (§ 10a Satz 4 GewStG), nicht mehr möglich sein wird.
2. Den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber überhaupt gesehen hat, dass im Fall eines Gesellschafterwechsels die angepeilte Verluststreckung ins „Leere” geht und sich die beabsichtigte temporäre Begünstigung der Kommunen zur definitiven Belastung für die Gesellschaft verfestigt. Von einer bewusst in Kauf genommenen Härte des Gesetzgebers kann daher nicht ausgegangen werden. Dieser Umstand ist im Rahmen der Ermessensentscheidung über einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO zu berücksichtigen.
Normenkette
GewStG 2002 § 7 S. 2 Nr. 2, § 10a S. 4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14; FGO § 69 Abs. 2, 2 S. 2; AO §§ 5, 163 S. 1
Tenor
1. Die Vollziehung des Gewerbesteuermessbetragsbescheids 2005 vom 1. April 2008 wird in voller Höhe ab Bekanntgabe bis zur bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung über den hiergegen gerichteten Einspruch ausgesetzt.
2. Die Vollziehung des Gewerbesteuermessbetragsbescheids 2005 vom 31. Januar 2008 wird in voller Höhe ab Bekanntgabe aufgehoben.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
4. Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob der Gewerbesteuermessbetrag 2005 aus verfassungsrechtlichen Gründen oder aus Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen ist.
Einzige Kommanditistin und zugleich einzige am Vermögen der Antragstellerin beteiligte Gesellschafterin war bis 14. Februar 2005 die N-AG. Letztere veräußerte ihre Kommanditbeteiligung am 14. Februar 2005 zum Preis von 1 EUR an die B GmbH & Co Immobilien Verwaltungs-KG. Das steuerliche Kapitalkonto der Nürnberger Bund Beteiligungs-AG wurde zum Zeitpunkt der Übertragung mit minus 3,8 Mio EUR geführt. Zum 31.12.04 war für die Antragstellerin ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag von 4,1 Mio EUR festgestellt worden.
Die Antragstellerin ist – wie auch der Antragsgegner – der Auffassung, dass der durch die Anteilsveräußerung entstandene und (seit dem Erhebungszeitraum –EZ–2002) gewerbesteuerpflichtige Veräußerungsgewinn in Folge der seit dem EZ 2004 betragsmäßig begrenzten Verlustverrechnungsmöglichkeit (gewerbesteuerliche Mindestbesteuerung gem. § 10a Gewerbesteuergesetz –GewStG–) zu einem positiven Gewerbeertrag 2005 führt, obwohl ein ausreichender Verlustvortrag bestanden hätte. Dies sei unbillig, zumal der gem. § 10a GewStG n. F. nicht verrechenbare Verlustvortrag nicht mehr genutzt werden könne. Er gehe wegen des Ausscheidens ihrer Kommanditistin unter. Bereits mit Abgabe der Gewerbesteuererklärung beantragte sie daher, den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 aus verfassungsrechtlichen oder aus Billigkeitsgründen auf Null EUR festzusetzen (§ 163 Satz 1 Abgabenordnung –AO–).
Dem entsprach der Antragsgegner nicht. Mit Bescheid vom 31. Januar 2008 setzte dieser den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 auf 55.285 EUR fest. In dem sich anschließenden Rechtsbehelfsverfahren wurde der Gewerbesteuermessbetrag mit Änderungsbescheid vom 01. April 2008 auf 50.855 EUR herabgesetzt.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 vom 1. April 2008 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den anhängigen Einspruch in Höhe von 50.855 EUR auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Mit Bescheid vom 31. Januar 2008, geändert mit Bescheid vom 1. April 2008, hat der Antragsgegner sowohl über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages – materiellrechtlich – wie auch über die beantragte Billigkeitsmaßnahme entschieden. Der Einspruch vom 28. Februar 2006 (Eingang beim Finanzamt 29. Februar 2008) richtet sich ausdrücklich gegen diese beiden Entscheidungen. Der Senat hat daher im vorliegenden Verfahren Zweifel an der Rechtsmäßigkeit sowohl der materiellen Steuerfestsetzung wie auch an der abgelehnten Billigkeitsmaßnahme zu berücksichtigen.
2. Der Aussetzungsantrag ist begründet.
Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts soll auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ...