rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestens 12 Tage als „kurze Zeit” i. S. d. § 11 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 11 Abs. 1 S. 2 EStG (gegen ständige BFH-Rspr.)
Leitsatz (redaktionell)
1. Regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr angefallen. Als „kurze Zeit” ist ein Zeitraum von mindestens 12 Tagen anzunehmen (gegen ständige BFH-Rspr. zu einem 10-Tageszeitraum als „kurze Zeit”).
2. Umsatzsteuervorauszahlungen sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i. S. d. § 11 Abs. 2 S. 2 EStG.
3. Verschiebt sich die Fälligkeit einer nach § 18 Abs. 1 S. 4 UStG am 10. Januar fälligen Umsatzsteuervorauszahlung nach § 108 Abs. 3 AO auf den nächstfolgenden Werktag, weil der 10. Januar ein Samstag oder Sonntag ist, liegt der gesetzliche Fälligkeitstag deswegen außerhalb des 10-Tageszeitraums und hat der Unternehmer die Umsatzsteuerzahlung bis zum 12. Januar überwiesen, so kann er im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gem. § 11 Abs. 2 S. 2 EStG die Zahlung noch für das „alte” Jahr, zu dem sie auch wirtschaftlich gehört, als Betriebsausgabe abziehen (Abgrenzung z. B. zu Thüringer FG, Urteil v. 27.1.2016, 3 K 791/15).
Normenkette
EStG § 11 Abs. 2 S. 2, Abs. 1 S. 2; BGB § 193; AO § 108 Abs. 1, 3; UStG § 18 Abs. 1 S. 4
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2014 vom 13. August 2015, geändert am 11. Dezember 2015 und 4. Januar 2016, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. März 2016 wird die Einkommensteuer 2014 unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in Höhe von 2.054,28 EUR bei den Einkünften des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit entsprechend herabgesetzt. Die Berechnung wird dem Finanzamt nach § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung übertragen.
2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betrag von 2.054,28 EUR, welchen der Kläger am 7. Januar 2015 auf seine Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2014 durch Banküberweisung vom 4. Januar 2015 beglichen hatte, als Betriebsausgabe bei dessen Einnahme-Überschussrechnung des Jahres 2014 angesetzt werden kann.
Im Erstbescheid 2014 vom 13. August 2015, wie auch in den folgenden Änderungsbescheiden vom 11. Dezember 2015 und 4. Januar 2016 berücksichtigte das Finanzamt lediglich die geleisteten Zahlungen auf die Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis November 2014.
Hiergegen hatten sich die Kläger mit Einspruch vom 17. August 2015 (Eingang beim Finanzamt) gewandt. Sie vertreten die Auffassung, durch die – unstreitig – am 7. Januar 2015 bewirkte Zahlung wegen Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2014 sei unter Berücksichtigung des § 11 Abs. Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz – EStG – eine Zahlung für das Wirtschaftsjahr 2014 erfolgt und dort erfolgswirksam zu berücksichtigen.
Das Finanzamt vermochte sich dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen und lehnte eine Berücksichtigung mit Einspruchsentscheidung vom 30. März 2016 ab.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage. Sie wenden, wie bereits im Einspruchsverfahren ein, bei der Zahlung der Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2014 handle es sich um eine wiederkehrende Betriebsausgabe, die unter den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 S. 2 EStG falle. Auf die abgabenrechtliche Fälligkeit, die sich für das Streitjahr nach § 108 Abs. 3 AO um 2 Tage auf den 12. Januar 2015 verschoben habe, könne es nicht ankommen, denn eine Berücksichtigung dieser Verschiebung führe gerade zu den vom Gesetzgeber nicht bezweckten Zufallsergebnissen, als in zwei von sieben Jahren, unabhängig von der tatsächlich erfolgten Zahlung eine Zurechnung in das andere Wirtschaftsjahr erfolge.
Die Kläger beantragen (sinngemäß), unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2014 vom 13. August 2015, geändert am 11. Dezember 2015 und 4. Januar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. März 2016, die Einkommensteuer 2014 unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in Höhe von 2.054,28 EUR bei den Einkünften des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt, die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung vom 30. März 2016, in der ausgeführt ist, dass es sich zwar um eine regelmäßig wiederkehrende Ausgabe handle, dass auch die Zahlung innerhalb des „kurzen Zeitraums” des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG erfolgt sei, die Zahlung jedoch zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, zu dem die Leistung noch nicht fällig gewesen sei, weil sich der Fälligkeitszeitpunkt nach § 108 Abs. 3 EStG im Jahr 2015 ausnahmsweis...