Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerpflicht des Veräußerungsgewinns bei einer Kapitalgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
Eine Kapitalgesellschaft erzielt aus der Veräußerung ihres Gewerbebetriebes einen laufenden, der Gewerbesteuer unterliegenden, betrieblichen Gewinn.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2, § 7; EStG § 16
Nachgehend
Gründe
I.
Streitig ist, ob bei einer Kapitalgesellschaft der Gewinn aus der Veräußerung ihres Betriebs der Gewerbesteuer unterliegt.
Die Klägerin ist eine am 16. Februar 1978 gegründete GmbH. Gegenstand des Unternehmens war ursprünglich die Beratung, Unterstützung und Vertretung in sämtlichen Steuerangelegenheiten sowie die Übernahme wirtschaftsberatender, gutachtlicher und treuhänderischer Tätigkeiten. Die Klägerin hatte ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr mit Bilanzstichtag 30. Juni.
Zum 1. Juli 1993 veräußerte die Klägerin ihre Wirtschafts- und Steuerberatungspraxis. Dabei erzielte sie einen Veräußerungsgewinn von 2,4 Mio. DM.
In der Folgezeit wurde eine Umfirmierung sowie ein geänderter Unternehmensgegenstand beschlossen und in das Handelsregister eingetragen. Seit 6. Juni 1995 befindet sich die Klägerin in Liquidation.
Im Unterschied zu den Angaben in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Wirtschaftsjahr 1993/94 ließ die Klägerin den aus der Praxis Veräußerung erzielten. Gewinn in ihrer Gewerbesteuererklärung ausdrücklich außer Ansatz und erklärte einen negativen Gewerbeertrag von 219.523 DM (Gewinn „jedoch ohne Veräußerungsgewinn”). Daraus ergab sich ein Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag von 0 DM und zugleich ein vortragsfähiger Gewerbeverlust von 219.523 DM.
Es erging ein entsprechender Gewerbesteuermeßbescheid sowie ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1994. Dem Gewerbesteuermeßbescheid war der Vorbehalt der Nachprüfung beigefügt.
Im Anschluß an eine Außenprüfung gelangte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) jedoch zu einer geänderten Auffassung. Dazu bezog es sich auf Abschn. 41 Abs. 2 und Abschn. 40 Abs. 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR), wonach der Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftsbetriebs bei Kapitalgesellschaften dem Gewerbeertrag unterliege. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 4. März 1998 (insbesondere Tz. 7.2) verwiesen.
Auf dieser Grundlage erließ das FA einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) entsprechend geänderten Gewerbesteuermeßbescheid. Den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1994 hob es nach § 35 b Abs. 2 Sätze 2 und 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG) ersatzlos auf (s. die Bescheide vom 5. Juni 1998).
Mit dem dagegen eingelegten Einspruch hatte die Klägerin keinen Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, für den Bereich der Veräußerungsgewinne ergebe sich, daß die Vorschrift des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 7 GewStG über § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei Kapitalgesellschaften anzuwenden sei. Nach bisheriger Rechtsprechung unterlägen somit Gewinne aus der Veräußerung des Betriebs einer Kapitalgesellschaft der Gewerbesteuer. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 4. November 1998 Bezug genommen.
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Nach ständiger Rechtsprechung sei nur der Gewinn aus dem „Betreiben” des Betriebs und nicht aus der „Veräußerung” desselben der Gewerbesteuer unterworfen. Sowohl beim Einzelunternehmen als auch bei Personengesellschaften werde der Veräußerungsgewinn als Teil des Gewerbeertrags berücksichtigt, da er nicht aus dem „Betrieb”, sondern eben aus der „Veräußerung” resultiere. Die Unterwerfung nur des laufenden Gewinns in § 2 Abs. 2 GewStG unter die Gewerbesteuer lege es nahe, diese Abgrenzung auch für Kapitalgesellschaften gelten zu lassen. Die ältere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe noch – ohne Zweifel zu äußern – den Veräußerungsgewinn bei einer Kapitalgesellschaft dem Gewerbeertrag zugeordnet. Voraussetzung für die Änderung der bisherigen Auffassung der Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung sei, daß auch einer Kapitalgesellschaft zugebilligt werde, mehrere Betriebe bzw. Teilbetriebe zu haben. Dann könne die Zugehörigkeit eines Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Betriebs oder eines Teilbetriebs zum laufenden Gewinn für Zwecke der Gewerbeertragsteuer nicht mehr auf die Einheitstheorie bezüglich eines denkbar nur einheitlichen Gewerbebetriebs einer Kapitalgesellschaft von Anfang bis Ende gestützt werden. Dieser Gedanke präge auch die neuere Rechtsprechung des BFH, insbesondere zur Gewerbesteuerpflicht bei Veräußerung sog. einbringungsgeborener Anteile an einer Personengesellschaft, wenn Einbringender eine Kapitalgesellschaft sei. Ebenso äußerten sich Glanegger/Güroff in ihrem Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl., § 2 Rz. 187 und § 7 Rz. 15 kritisch ...