Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anwendung des § 129 AO bei maschinelle Berichtigung eines Fehlers im EDV-Programm anläßlich ein Bescheidänderung aus sonstigen Gründen”. Einkommensteuer 1990
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Kläger werden als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1990 erklären die Kläger u. a. nichtselbständige Einkünfte des Klägers in Höhe von 104.592 DM. Zusätzlich wird ein nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Italien ohne Progressionsvorbehalt steuerfreier Arbeitslohn in Höhe von 742 DM erklärt. Die Klägerin, die im Streitjahr als Beamtin ohne Dienstbezüge beurlaubt war, erklärt lediglich Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 151 DM. Im Einkommensteuerbescheid für 1990 vom 9.10.1991 ließ der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die erklärten steuerfreien Einkünfte des Klägers außer Ansatz. Unter den Erläuterungen wurde jedoch darauf hingewiesen, daß der Steuerbescheid nach dem Inkrafttreten des neuen deutsch-italienischen DBA zu ändern sei. Am 23.9.1993 erging ein nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 d Abgabenordnung (AO) geänderter Einkommensteuerbescheid für 1990, in dem die Einkünfte aus Italien in Höhe von 742 DM zusätzlich berücksichtigt wurden. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und baten um Mitteilung, wie sich aus der geringfügigen Erhöhung der Einkünfte eine Steuernachzahlung von 2.568 DM ergeben könne. Bei einer Überprüfung stellte das FA fest, daß im ursprünglichen Bescheid durch einen Programmfehler eine Vorsorgepauschale in Höhe von 15.012 DM berücksichtigt worden war. Im Änderungsbescheid wurde bei einer identischen Eingabe der Besteuerungsmerkmale in den Eingabebogen die Vorsorgepauschale richtig mit 7.020 DM errechnet. Das FA teilte den Klägern daraufhin mit, daß eine Richtigstellung dieses Programmfehlers auch nach Rechtskraft des Bescheides nach § 129 AO als Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit erfolgen könne. Das FA leitete den Klägern eine Stellungnahme der EDV-Stelle beim Finanzamt München für Grundbesitz und Verkehr steuern zu, in der mitgeteilt wurde, daß bei negativen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Ehefrau aufgrund eines Programmfehlers eine falsche Berechnung der Vorsorgepauschale erfolgt sei. Das berichtigte Programm sei am 3.12.1991 eingesetzt worden. Die Kläger vertraten hierzu die Ansicht, daß sich aus der Stellungnahme kein Nachweis für einen rein mechanischen Fehler ergebe. Zudem sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, da das fehlerhafte Programm bis 2.12.1991 eingesetzt worden sei. Bei ihnen sei der Fehler nur zufällig anhand einer Überprüfung der Italieneinkünfte in 1993 entdeckt worden. Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 20.6.1994, auf die Bezug genommen wird, wies das FA auf die Möglichkeit der Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 129 AO hin und gab gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO Erläuterungen für die vorgenommene Änderung.
Mit ihrer Klage machen die Kläger weiterhin geltend, eine Änderung nach § 129 AO sei nicht zulässig, weil andere, als dort beschriebene Gründe für das Ergebnis der ursprünglichen Einkommensteuerberechnung vorliegen müßten. Insbesondere sei ein „technisches Versehen der EDV-Anlage” nicht möglich, weil eine EDV nur das mache, was im Programm und den Eingabedaten vorgegeben werde. Auf Verlangen der Kläger legte das FA eine umfangreiche Stellungnahme der EDV-Stelle des Finanzamts … vom 29.7.1994 vor. Hierin werden die technischen Vorgänge bei Programmänderungen im allgemeinen und bei einer Programmänderung am 19.6.1991, die zur Richtigstellung der falsch berechneten Vorsorgepauschale geführt hat, näher erläutert. Auf die Erläuterungen im einzelnen wird Bezug genommen. Hinsichtlich der von den Klägern gerügten Gleichbehandlung aller Steuerbürger weist die EDV-Stelle darauf hin, daß man anhand der Natur des Fehlers von einem Einzelfall ausgegangen sei. Eine Sonderaktion sei deshalb nicht durchgeführt worden, da in diesem Fall der relativ hohe Aufwand nicht gerechtfertigt erschienen sei. Die Kläger erklären hierzu, sie könnten sich dem unter 2.5 der Stellungnahme gezogenen Schluß, wonach es sich um eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO handle, nicht anschließen. Die geschilderte Vorgangsweise beschreibe die Inbetriebnahme eines nicht vollständig ausgetesteten EDV-Programmes, bei dem Restfehler „on line” blockweise berichtigt würden. Das sei üblich, wenn der wirtschaftliche Nutzen den möglichen Schaden deutlich übersteige und nur materieller Schaden entstehen könne. Damit stimme überein, daß die Art des (der) berichtigten Fehler nicht im Übergabeprotokoll enthalten gewesen sei, weil nicht beabsichtigt gewesen sei, in der Vergangenheit entstandene Fehler zu korrigieren. Solche bewußt in Kauf genommenen Fehler seien ihres Erachtens keine offenbaren Unrichtigkeiten i. S. von § 129 AO, auch wenn Art und Umfang vorher nicht genau bekannt...