Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass eines erneuten Haftungsbescheids nach gerichtlicher Aufhebung nur bei Nichteintritt der Zahlungsverjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach gerichtlicher Kassation eines Haftungsbescheids kann ein neuer Haftungsbescheid nur ergehen, wenn die Zahlungsverjährung der der Haftung zu Grunde liegenden Steuerschuld noch nicht eingetreten ist; dabei ist nicht auf den Erlass eines durch Urteil aufgehobenen vorhergehenden Haftungsbescheids abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses des neuen Haftungsbescheids.

 

Normenkette

FGO § 100 Abs. 1 S. 1; AO § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, § 171 Abs. 3a S. 1, § 229 Abs. 1 S. 1, §§ 232, 47

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.07.2011; Aktenzeichen VII B 3/11)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 16. April 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 4. August 2009 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) den Kläger zu Recht als Geschäftsführer einer Firma A-GmbH für die Umsatzsteuervorauszahlung Dezember 1991 in Höhe von 200.000 EUR und Säumniszuschläge dazu in Höhe von 10.000 EUR (insgesamt 210.000 EUR) durch Haftungsbescheid vom 16. April 2008 in Haftung genommen hat.

Gesellschaftszweck der GmbH war seit ihrer Gründung im Jahr 1983 die Finanzierungsvermittlung.

Der Kläger war laut Eintrag im Handelsregister vom 30. Juli 1986 zum alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter der A-GmbH bestellt. Durch Gesellschafterbeschluss vom 14. Oktober 1991 (Eintrag im Handelsregister am 10. Februar 1992) wurde der Kläger als Geschäftsführer der Gesellschaft abberufen und ein B zum neuen Geschäftsführer der A-GmbH bestellt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 14. Januar 1992 (Eintrag im Handelsregister am 27. April 1992) wurde B mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen und der Kläger erneut zum Geschäftsführer bestellt. Aufgrund eines weiteren Beschlusses der Gesellschafterversammlung der A-GmbH vom 13. August 1992 (Eintrag im Handelsregister am 3. November 1992) wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen und ein C zum Geschäftsführer bestellt.

Die A-GmbH stand in enger Geschäftsbeziehung zu einer D-GmbH, dessen Anteilseigner der Kläger und seine Ehefrau je zur Hälfte waren. Der Kläger war gleichfalls alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der D-GmbH; beide Gesellschaften hatten dieselbe Firmenanschrift.

Die A-GmbH erhielt im Januar 1989 von der D-GmbH den Auftrag zur Planung und Vorbereitung eines Bauvorhabens in der E-Straße F. Die A-GmbH war nachfolgend als Generalbauunternehmerin der D-GmbH tätig und führte die Bauausführung des Objekts durch.

Am 18. Februar 1992 reichte die A-GmbH durch den Kläger bei dem FA eine Umsatzsteuervoranmeldung für den Dezember 1991 ein, die eine Zahllast in Höhe von 400.000 DM auswies. Hierin enthalten war – nach der Darstellung des Klägers – eine Schlussabrechnung der A-GmbH für die Leistungen an dem Gebäude in der E-Straße 10 in F.

Da die angemeldete Umsatzsteuer nicht bezahlt wurde und Beitreibungsmaßnahmen bei der A-GmbH ohne Erfolg blieben, nahm das FA den Kläger zunächst mit Bescheid vom 9. Juni 1992 in Höhe von insgesamt 400.000 DM als Geschäftsführer der Gesellschaft in Haftung.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 1992 Einspruch ein.

Am 13. August 1992 wurde das Gewerbe der A-GmbH bei der zuständigen Gemeindebehörde abgemeldet. Die A-GmbH wurde am 24. Januar 1994 im Handelsregister gelöscht. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Januar 1996 wurde der Kläger zum Nachtragsliquidator der Firma bestellt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2002 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen war die Klage vom 10. Mai 2007 (Az.: 3 K 1627/07) gerichtet.

Mit Urteil vom 19. März 2008, dem FA zugestellt am 07. April 2008, hob das Finanzgericht München den Haftungsbescheid vom 9. Juni 1992 sowie die Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2002 wegen der fehlerhaften Anwendung des Auswahlermessens auf.

Mit Haftungsbescheid vom 16. April 2008 nahm das FA den Kläger erneut als Haftungsschuldner für Steuerschulden aus der Umsatzsteuer für Dezember 1991 und Nebenleistungen der A-GmbH in Höhe von insgesamt 210.000 EUR in Anspruch.

Dagegen war der Einspruch vom 7. Mai 2008 (Frühleerung) gerichtet. Mit Einspruchsentscheidung vom 4. August 2009 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Dagegen ist die Klage vom 31. August 2009 gerichtet.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass der Haftungsbescheid vom 16. April 2008 wegen Ablaufs der Festsetzungsverjährung der Haftung rechtswidrig und nichtig sei. Im Übrigen wird zum Vorbringen des Klägers auf seine Schriftsätze verwiesen.

Der Kläger bea...

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